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Eden Inc.

Eden Inc.

Titel: Eden Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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gelaufen. Man sucht schon nach einer Wohnung für ihn und bereitet die Entlassungspapiere vor. In ein oder zwei Tagen ist er wieder auf freiem Fuß.«
    »Himmel ...« Lash verfiel in Schweigen. Er war wie vor den Kopf geschlagen.
    »Christopher?«
    Lash antwortete nicht.
    »Sind Sie noch da, Chris?«
    »Ja«, sagte Lash geistesabwesend.
    »Hören Sie mal ... Haben Sie noch Ihre Dienstwaffe?«
    »Nein.«
    »Welch ein Pech. Denn egal, was der Bewährungsausschuss auch glaubt: Sie und ich wissen, dass dieser Drecksack das zu Ende bringen möchte, was er angefangen hat. Ich würde mich an Ihrer Stelle bewaffnen. Und vergessen Sie nicht, was man uns an der Akademie beigebracht hat. Man schießt nicht, um zu töten. Man schießt, um weiterzuleben.«
    Auch diesmal sagte Lash nichts.
    »Wenn Sie irgendwas brauchen, sagen Sie Bescheid. Bis dahin passen Sie auf Ihre Nüsse auf.«
    Dann war die Verbindung beendet.
     

 
35
    Er fuhr nach Hause. So hatte es angefangen: Wieder mal auf der Heimfahrt von Poughkeepsie, im hellen Sonnenschein eines Freitagnachmittags. Bei den letzten, fast hundert Kilometer weiten Fahrten nach Westport war er so müde gewesen, dass er befürchtet hatte, er könnte am Steuer einschlafen. Doch heute Nachmittag war er hellwach.
    Jetzt habe ich, was ich brauche, hatte der Mörder mit Blut auf das Galeriefenster geschrieben. Danke.
    Er griff zum Autotelefon und wählte eine Nummer.
    »Bei Lash«, meldete sich die Stimme seines Schwagers Karl Broden.
    »Hallo, Karl.«
    »Hallo, Chris. Wo bist du?«
    »Auf der Heimfahrt. Ich bin in ungefähr einer Stunde da. Ist Shirley zu Hause?«
    »Sie hat ein paar Besorgungen zu erledigen.«
    »Okay. Also bis dann.«
    »Alles klar. Sag mal, soll ich den Grill anfeuern und die Garnelen marinieren, die wir gestern Abend mitgebracht haben?«
    »Das ist ’ne Idee. Stell noch ein paar Pullen Bier für mich kalt. «
    »Schon erledigt.«
    Er dachte kurz über seinen Schwager nach. Karl war ganz anders als seine Schwester. Pflegeleicht und lässig, unverfroren unintellektuell. Immer wenn Karl zu Besuch kam, senkte sich das heimische Spannungsniveau erheblich. Diesmal war er - am Vortag - urplötzlich aufgekreuzt; fast als hätte er gewusst, dass seine Anwesenheit geradezu verzweifelt notwendig war.
    Dann kehrten seine Gedanken nach Poughkeepsie und dem öden Bild der letzten Mordszenerie zurück.
    Ich habe jetzt, was ich wollte. Danke. Die Bullen aus Poughkeepsie waren den ganzen Morgen über fast jovial gewesen. Sie hatten sich gut gelaunt in die Rippen geboxt und am Wasserkühler schmutzige Witze gerissen. Obwohl der Killer sogar ihren Straßensperren entwischt war, hatten sie Auftrieb gekriegt, weil sie davon ausgingen, dass das Morden nun ein Ende hatte. Lash empfand diese Erleichterung nicht. Für ihn war die Botschaft das erste Teil des Puzzles, das Sinn ergab; die einzige Kommunikation des Mörders, die sich real anfühlte. Und ihre Kürze, ihre Zuversicht erfüllte ihn mit Angst.
    Was hatte er jetzt? Was hatte er gewollt?
    Hatten die Morde an den vier Frauen irgendein krankes Bedürfnis befriedigt, irgendeine Leere ausgefüllt? Aber so lief es nicht mit Serienmördern. Sie hatten einen alles verzehrenden Durst, der nie gestillt wurde.
    Und dann waren da noch die Unvereinbarkeiten bei den Morden. Die beiden ersten widersprachen trotz oberflächlicher Ähnlichkeiten - den blutigen Botschaften an den Wänden, der Position der Leichen - allen Grundprofilen auf ein Dutzend Arten.
    Was machte den neuesten Mord anders?
    Über all dies dachte er zwischen Dutchess und Putnam County nach, bis nach Connecticut hinein. Er war davon überzeugt, dass der Mörder zum ersten Mal seinen wahren Charakter gezeigt hatte.
    Weil er jetzt das hatte, was er hatte haben wollen. Warum diesmal nur eine Botschaft statt hundert? Und warum war sie auf das Galeriefenster geschrieben anstatt auf eine Wand? Auf dem Glas, vor dem dunklen Hintergrund der Nacht, war sie doch äußerst schwer zu erkennen ...
    Und dann stellte er plötzlich, ohne großartig darüber nachzudenken, fest, dass sich seine Sichtweise hinsichtlich des letzten
    Tatorts veränderte. Er schaute sich die blutige Botschaft nun nicht aus dem Inneren des Schlafzimmers an. Sein Blickwinkel wechselte, drehte sich, als stünde er auf einem Kamerawagen, der eine Wende von hundertachtzig Grad vollzieht - und er war draußen, vor dem Haus, im Wald und schaute aus der Schwärze durch das große, erhellte Fenster auf die dort erkennbaren

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