Eden Inc.
hatte seiner Mutter gehört und war eines der wenigen, die er aus seiner frühen Kindheit aufbewahrt hatte.
Der Höhepunkt der Sitzung mit Liza war stets das Vorlesen.
Im Lauf der Jahre war er von ganz einfachen Geschichten zu - beispielsweise - einer Einweisung in die Rudimente der menschlichen Werte fortgeschritten. Es stellte ihn auf fast väterliche Weise zufrieden. Danach fühlte er sich immer besser und weniger einsam. Vielleicht vermochte dies heute sogar die finstere Wolke zu vertreiben, die über ihm dräute.
Und vielleicht würde er, wenn er mit der Vorlesung fertig war, auch den Mut haben, die Frage zu stellen, die auszusprechen er sich gleichzeitig ersehnte und fürchtete.
Silver pausierte, um sich zu konzentrieren, dann schlug er das Buch auf. »Weißt du noch, wo wir aufgehört haben, Liza?«
»Ja. Das Nagetier Templeton hatte den Eiersack der Spinne zurückgeholt.«
»Gut. Und warum hat es das getan?«
»Das Schwein hatte ihm dafür Nahrung versprochen.«
»Und warum wollte Charlotte, die Freundin des Schweins, dass der Eiersack gerettet wird?«
»Um das Überleben ihrer Kinder und damit die Verbreitung der Spezies zu sichern.«
»Doch Charlotte selbst konnte den Eiersack nicht retten.«
»Das ist korrekt.«
»Wer hat ihn also gerettet?«
»Templeton.«
»Lass mich die Frage anders stellen. Wer war die motivierende Kraft bei der Rettung des Eiersacks?«
»Das Schwein Wilbur.«
»Korrekt. Warum hat er ihn gerettet, Liza?«
»Um mit der Spinne gleichzuziehen. Die Spinne hatte ihm assistiert.«
Silver ließ das Buch sinken. Liza hatte keine Schwierigkeiten, Beweggründe wie Überleben des Ichs und Belohnung für Verhalten zu verstehen. Doch auch jetzt waren die anderen, subtileren Emotionen noch immer schwer greifbar.
»Ist deine Ethikroutine aktiviert?«, fragte er.
»Ja, Richard.«
»Dann lass uns weitermachen. Das ist ein Grund, weswegen er den Sack gerettet hat. Der andere ist das Gefühl, das er für die Spinne empfand.«
»Du sprichst metaphorisch.«
»Korrekt. Es ist eine Metapher für das menschliche Verhalten. Für menschliche Liebe.«
»Ja.«
»Wilbur liebte Charlotte. So wie Charlotte Wilbur liebte.«
»Ich verstehe, Richard.«
Silver schloss kurz die Augen. Heute fühlte sich selbst die sonst für ihn schönste Zeit dumpf an. Die Frage würde warten müssen.
»Ich muss die Sitzung beenden, Liza«, sagte er.
»Unser Dialog hat nur fünf Minuten und zwanzig Sekunden gedauert.«
»Ich weiß. Ich habe einiges zu erledigen. Hören wir also bei Kapitel einundzwanzig auf.«
»In Ordnung, Richard. Danke, dass du mit mir gesprochen hast.«
»Ich danke dir, Liza.« Silver hob Charlottes Netz hoch, fand die Seite mit dem Eselsohr und las:
Am nächsten Tag, als das Riesenrad zerlegt und die Rennpferde in die Laster verladen wurden, starb Charlotte. Keiner der vielen hundert Menschen, die den Jahrmarkt besucht hatten, wusste, dass eine Grauspinne die wichtigste Rolle von allen gespielt hatte. Als sie starb, war niemand bei ihr ...
43
Diesmal fand Lash sich im Konferenzraum wieder. Er saß allein an einer Seite des Tisches und schaute ins Objektiv der Videokamera und auf die grimmigen Mienen der Männer, die ihm gegenüberstanden. Edwin Mauchly saß in der Mitte.
Heute war Tara Stapleton nicht zu seiner Linken. Dort stand nun Dr. Alicto in einem grünen Chirurgenkittel. Als er Lash sah, nickte er ihm zu und lächelte erfreut.
Mauchly begutachtete kurz einige vor ihm liegende Papiere.
Dann wanderte sein Blick auf die andere Tischseite.
»Es ist für uns alle sehr schwierig, Dr. Lash. Auch für mich persönlich.« Der normalerweise ziemlich gelassen wirkende Mauchly war aschfahl. »Natürlich übernehme ich die volle Verantwortung für die ganze Sache.«
Lash war leicht verwirrt. Ich übernehme die Verantwortung.
Dann wusste er also inzwischen, dass dies ein Irrtum, eine bizarre Verwechslung gewesen war. Gleich würde Mauchly sich entschuldigen, dann konnten sich wieder alle an die Arbeit machen. Und auch er konnte weiterarbeiten ... Doch wo war Tara?
Mauchlys Blick fiel erneut auf den Tisch. Er rückte die Papiere gerade. »Wenn ich mir vorstelle, dass wir Sie ins Haus geholt und um Ihre Hilfe gebeten haben. Dass wir Ihnen Zugriff zu unseren wertvollsten Daten gegeben haben. Und während der ganzen Zeit die Wahrheit nicht wussten.«
Er schaltete jäh das Tonbandgerät ein und nickte dem Kameramann zu.
»Ist Ihnen klar, weshalb Sie hier sind, Dr. Lash?«,
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