Eden Inc.
immer abzuschwören. Und das sind nur die Medikamente, die all die klinischen Versuche überstanden haben. Viele andere kommen gar nicht erst so weit.«
Lash warf einen Blick über den Tisch, doch Taras Miene blieb undurchdringlich.
»Na schön. Die meisten Aspekte einer Persönlichkeit sind das Resultat von Genen, die Neurotransmitter im Hirn steuern.
Dies schließt unerwünschte Charakterzüge wie Angst und Depressionen ein. Also erschaffen wir Medikamente, um dergleichen in den Griff zu kriegen. So Sachen wie SSNRIs, die die Wiederaufnahme von Serotonin unterdrücken. Aber das Gehirn enthält Unmengen von Serotoninrezeptoren.
Wie kann man ein Medikament auf alle Rezeptoren gleichzeitig abfeuern?«
Lash trank noch einen Schluck Kaffee. »Deswegen haben die Pharmafirmen nach anderen Lösungen gesucht. Nach Methoden, mit denen man die Hirnchemie verändern kann, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Manchmal wagen sie sich weit in unbekanntes Gelände vor. So wie in das als >Substanz P< bekannte
Neuropeptid.«
»Substanz P?«, wiederholte Tara.
»Auch ich habe erst heute Nachmittag davon gehört. Es ist eine ziemlich geheimnisvolle Sache: Niemand weiß genau, warum sie im Gehirn vorhanden ist oder welchen Zweck sie hat. Aber wir wissen, was dazu führt, dass die Substanz freigesetzt wird: akute körperliche Schmerzen. Starker Stress. Die Folgen sind ernsthafte Depressionen und plötzlicher Selbstmord.«
Lash beugte sich vor. »Wenigstens ein Pharmaunternehmen hat sich für die Substanz P interessiert. Man gelangte zu folgender Ansicht: Wenn es gelingt, einen pharmazeutischen Wirkstoff zu entwickeln, der auf die Substanz P einwirkt, um ihre Rezeptoren zu blockieren, kann man vielleicht viele depressive Menschen glücklich machen. Der Hersteller war PharmGen, Edens Muttergesellschaft.«
»Ist sie nicht mehr. Eden ist jetzt unabhängig.«
»PharmGen entwickelte ein neues antipsychotisches Medikament, das gegen die Substanz P zu Felde zog. Am Anfang war es nicht einfach: Die toxikologische Prüfphase meldete Gegenanzeigen. Also wurde das Medikament noch einmal modifiziert. Vor vier Jahren war es reif für einen Gruppentest. Er fand in Polen statt, die damals übliche Praxis. Insgesamt nahmen fast zehntausend Menschen an dem Versuch teil. In neunundneunzig von hundert Fällen hat das Medikament bestens gewirkt. Und es war nicht auf einzelne Indikatoren begrenzt: Schizoide, Borderline-Patienten, chronisch Depressive, alle schienen davon zu profitieren.«
Lash nippte an seinem Kaffee. »Aber es gab ein Problem: Das verbleibende eine Prozent. Wenn ein geistig gesunder Mensch das Medikament einnahm - speziell solche mit hohem Blutkupfergehalt -, kam es zu schrecklichen Nebenwirkungen: Depressionen, Paranoia, mörderische Tobsuchtsanfälle. In diesem Jahr gab es so viele Selbstmorde, dass die Statistik des ganzen Lan des völlig aus dem Häuschen geriet.«
Lash schaute über den Tisch hinweg, um die Wirkung seiner Worte zu ergründen. Doch Tara verzog noch immer keine Miene.
»Das Medikament wurde aus der Testphase genommen.
Aber ein Jahr später tauchte es neu formuliert in einer drastisch reduzierten Dosierung und für einen anderen Zweck wieder auf: als Muskelrelaxans.«
Taras Gesicht wirkte nun wieder ungläubig. »Scolipan?«
»Tabletten zu einem Milligramm. Das Original - eine FünfzigGramm-Formulierung - ist ebenfalls lieferbar, wird aber nur in sehr seltenen Fällen und unter genauer Beobachtung verschrieben.« Lash schob seine Tasse beiseite. »Wissen Sie noch, dass ich einen Anruf getätigt habe, bevor ich Ihr Büro verließ? Er galt einem Freund, der beim FBI in Phoenix ist.
Ich habe ihn gebeten, jemanden zum Haus der Thorpes zu schicken und ihren Medizinschrank unter die Lupe zu nehmen. Lindsays Scolipan-Rezept lag auf dem Nachttisch neben ihrem Bett. Aber die Dosierung war von einem auf fünfzig Milligramm erhöht. In Kapselform hat sie den Unterschied nicht bemerkt.«
Tara runzelte die Stirn.
»Irgendjemand hat die Dosierung verändert. Jemand, der die Nebenwirkungen des Medikaments in der Originalformulierung kennt. Jemand, der - vermutlich aus ihrem Bewerbungsformular - wusste, dass Lindsay Thorpe ein Antihistamin einnahm.«
»Wovon reden Sie überhaupt?«
»Als ich anfing, die Fälle zu untersuchen, habe ich ein Gespräch mit Lindsays Vater geführt. Er hat erwähnt, dass sie an Dermographie litt. Das ist eine gutartige Hautirritation, die einen Juckreiz verursacht. Das empfohlene Mittel
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