Eden Inc.
kann.«
Lashs Blick war noch immer auf den Tank gerichtet. »Interagieren«, wiederholte er.
»Es ist am einfachsten, wenn man sich äußerst eng gepackte Datenpakete vorstellt, denen man eine künstliche Existenz verliehen hat und die man dann in einem virtuellen Raum aussetzt.«
Es war eigenartig, fast zermürbend: sich vorzustellen, dass jedes dieser zahllosen, vor ihm durch die Leere hin und her flitzenden Gespenster eine vollständige und einzigartige Persönlichkeit voller Hoffnungen, Bedürfnisse, Sehnsüchte, Träume, Launen und Neigungen war - in Gestalt eines Datenpakets, das sich durch eine Silikonmatrix bewegte. Lash schaute wieder Tara an. Ihre Augen glänzten blassblau im reflektierten Licht, seltsame Schatten huschten über ihr Gesicht. Sie wirkte, als sei sie geistig weit weg. Auch sie schien von dem Anblick wie hypnotisiert zu sein.
»Es ist wunderschön«, sagte Lash. »Aber auch bizarr.«
Der geistesabwesende Blick verschwand schlagartig aus Taras Augen. »Bizarr? Es ist genial. Die Avatare enthalten viel zu viele Daten, um von konventionellen Computeralgorithmen verglichen zu werden. Unsere Lösung besteht darin, ihnen ein Scheinleben zu verleihen, damit sie die Abgleichung selbst vornehmen können. Sie werden in den virtuellen Raum eingefügt und dann angestachelt, fast so, wie man es mit Atomen machen könnte. Das treibt die Avatare dazu, sich zu bewegen und miteinander in Interaktion zu treten. Wir nennen diese Interaktionen >Kontaktaufnahmen<. Sind sich zwei Avatare im Tank schon begegnet, sprechen wir von einem schalen Kontakt. Die erste Begegnung zwischen zwei Avataren ist ein so genannter frischer Kontakt. Jeder frische Kontakt setzt einen riesigen Schwall von Daten frei, der die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten der beiden genau erläutert.«
»Dann sehen wir also im Moment die gegenwärtigen Bewerber bei Eden vor uns.«
»So ist es.«
»Wie viele sind es?«
»Es variiert, aber meist sind es einige Zehntausend. Es werden ständig Avatare hinzugefügt. Es könnte so ziemlich jeder dort drin sein: Präsidenten, Rockstars, Dichter. Die Einzigen, die ...« Tara zögerte. »Die Eden-Mitarbeiter sind die Einzigen, denen es nicht gestattet ist.«
»Und warum nicht?«
Taras Antwort betraf jedoch nicht seine Frage. »Es dauert ungefähr achtzehn Stunden, bis jeder Avatar mit allen anderen im Tank Kontakt aufgenommen hat. Wir nennen dies einen Zyklus. Tausende und Abertausende von Avataren, die aufeinander stoßen, setzen gewaltige Datenmengen frei. Sie können sich bestimmt vorstellen, wie viele Computer-PS nötig sind, um das alles zu analysieren?«
Lash nickte. Hinter ihm ertönte ein leises Piepsen. Als er sich umdrehte, hob Mauchly sein Handy ans Ohr.
»Jedenfalls«, fuhr Tara fort, »werden, wenn eine Übereinstimmung registriert wird, beide Avatare aus dem Tank genommen. In neun von zehn Fällen kommt es im ersten Zyklus zu einer Übereinstimmung. Ist dies nicht der Fall, bleibt der Avatar für einen weiteren Zyklus im Tank; dann noch für einen dritten. Hat ein Avatar nach fünf Zyklen kein Ebenbild gefunden, wird er entfernt und der Antrag des Bewerbers für null und nichtig erklärt. Aber das ist erst ein halbes Dutzend Mal passiert.«
Ein halbes Dutzend Mal, dachte Lash. Er warf einen kurzen Blick auf Mauchly, der noch immer telefonierte.
»Aber unter normalen Umständen könnte man so einen Avatar auch ein Jahr später noch mal in den Tank stecken, und er würde dann eine weitere Übereinstimmung finden.
Eine anderes Ebenbild, stimmt’s?«
»Das ist ein heikles Thema. Unsere Klienten erfahren, dass ein vollkommenes Ebenbild für sie gefunden wurde. Und das stimmt ja auch. Was allerdings nicht heißt, dass wir am Tag darauf oder einen Monat später nicht ein zweites Ebenbild finden könnten. Abgesehen natürlich von den Superpaaren - die sind wirklich perfekt. Aber unsere Klienten erfahren nichts über den Grad der jeweiligen Perfektion. Es würde sie eventuell zum Pokern verleiten. Sobald wir ein Ebenbild gefunden haben, ist der Fall abgeschlossen. Feierabend. Diese Avatare werden aus dem Tank genommen.«
»Und dann?«
»Die beiden Bewerber werden über den Treffer informiert.
Dann arrangiert man eine Begegnung.« Bei ihren letzten Worten wirkte Tara erneut geistesabwesend.
Lash drehte sich zum Tank um und betrachtete die zigtausend wie gewichtslose außerirdische Lebensformen hin und her schwebenden Avatare. »Sie haben die enorme Rechnerzeit erwähnt, die dazu
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