Eden Prophecy
Fluss entlanglief, hielt darauf zu und beschleunigte.
Mit achtzig Stundenkilometern schoss er durch die Öffnung, und das Motorrad flog in Richtung des dahinrasenden Boots. Als die schwere Ducati unter ihm in den Sinkflug überging, stieß sich Hawker von ihr und warf sich nach rechts.
Er hörte ein gewaltiges Knirschen, dann traf er hinter dem Boot auf dem Wasser auf.
Als er einen Moment später wieder an die Oberfläche kam, hielt sich das Boot kaum noch über Wasser. Das Fiberglas war gesprungen und zerbrochen, wo die zweihundert Kilogramm schwere Ducati wie ein Stein in einen Pappbecher hineingekracht war.
Hawker schälte sich aus seiner Jacke und schwamm auf das Boot zu, das bereits zu sinken begann. Zwei Männer waren an Bord. Einer schien verletzt zu sein, offenbar bewusstlos, aber der andere kam gerade wieder auf die Füße. Er entdeckte Hawker, richtete eine Pistole auf ihn und feuerte.
Hawker tauchte unter. Kugeln zeichneten hier und dort weiße Linien durch das trübe Wasser, während er zu einer neuen Position schwamm. Er hielt die Luft an, bis der Beschuss aufhörte, und kam dann vorsichtig wieder hoch.
Der Mann mit der Pistole war verschwunden; entweder er versteckte sich, oder er war selbst über Bord gegangen.
Hawker schwamm zu dem vollgelaufenen Gefährt. Er fischte seine eigene Waffe aus dem Halfter, legte eine Hand auf das Heck des Boots, oder was davon noch übrig war, und sah sich um.
Ringsum schwamm Treibgut, Sitzkissen, Schwimmwesten und ein paar leere Wasserflaschen schaukelten in der Strömung auf und ab, aber von dem Mann mit der Pistole war nichts zu sehen.
Als das Boot langsam zu kentern begann, packte Hawker den Verletzten und zog ihn ins Wasser.
Einen Moment später drehte sich das Boot vollends, trieb jedoch kieloben weiter.
Hawker hielt den Bewusstlosen fest und schwamm nur mit Beinschlägen von dem Boot fort, zurück in Richtung Ufer. Die ganze Zeit hielt er den Blick auf das treibende Boot gerichtet. Nichts. Keine Bewegung. Er sah sich in alle Richtungen um, aber der Bewaffnete war verschwunden.
11
Virginia Industrial Complex
Arnold Moore, der Leiter der Operativen Abteilung beim National Research Institute, saß an einem Schreibtisch aus Metall mit Glasplatte. Ordentliche Papierstapel lagen links und rechts von einem Computermonitor, der sich in die Oberfläche versenken ließ, falls mehr Arbeitsfläche benötigt wurde. Drucker, Scanner und Bildschirme für Videokonferenzen säumten den Schreibtisch, und ihre Standby-Beleuchtung blinkte lautlos im Halbdunkel.
Vor Moores Schreibtisch stand einer der besten jungen Köpfe des NRI , Walter Yang, ein Genetiker aus Stanford. Wenn er nicht im Labor arbeitete, lebte Walter im Internet als begeisterter Anhänger komplexer Computer-Rollenspiele mit zig Teilnehmern und allem, was zu einer Art Schwarmintelligenz führen könnte. Arnolds Bude schien ihn zu beeindrucken.
»Echt krass, Ihr Büro, Mr. Moore.«
Krass. Moore fand es nicht krass, es sei denn, das bedeutete, dass es nicht zu ihm passte.
Moores neue Suite im Virginia Industrial Complex war eine Studie in Ordnung und ultramodernem Design. Sie beeindruckte andere, vor allem die Leute, die sie entworfen hatten, und sie störte Moore ganz gewaltig.
Das Büro war zu steril für ihn, zu präzise und bar jeder Individualität.
Selbst die Wände störten ihn. Sie waren aus einem speziellen, mit einem feuerfesten Material beschichteten Glas, das man per Knopfdruck im Handumdrehen undurchsichtig machen konnte. Irgendwer hielt das offenbar für modernes Hightech-Dekor, und es sollte wohl den Auftrag, den das NRI hatte, zum Ausdruck bringen. Als Moore zum ersten Mal davon hörte, hatte er es für einen Witz gehalten. Der Leiter einer Geheimdienstbehörde sollte in einem Glaskasten arbeiten? Er hatte die Wände am ersten Tag verdunkelt und das Licht danach nie wieder hereingelassen.
»Ja«, sagte er höflich. »Sie sehen es natürlich so, Walter. Es gehört zu den Freuden der Jugend, dass man Dinge krass finden kann. Aber jetzt erzählen Sie mir von diesem UN -Virus.«
Yang räusperte sich und schaute in seine Notizen. Und Moore kam zu Bewusstsein, dass seine Reizbarkeit ein neues Tageshoch erreicht hatte. Die UN waren für drei Tage unter Quarantäne gestellt worden, und die Einheimischen wurden unruhig. Das einzig Gute war nur, dass Claudia Gonzales so früh zur Arbeit erschienen war und den Brief geöffnet hatte, bevor der größte Teil des Personals ins Gebäude gelangt
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