Eden Prophecy
sagen, diese Leute scheinen sich ein bisschen übernommen zu haben.«
Er griff nach einer Art Strafregister.
»Roland Lange.« Offenbar einer der Männer. »Zweimal letztes Jahr wegen Handtaschenraubs festgenommen. Dreimal wegen ordnungswidrigen Verhaltens und tätlicher Beleidigung. Eben noch hat er aus der Menge heraus die Polizei beschimpft, schon liegt er mit einem Stück Metall dort, wo seine Leber sein sollte, im Leichenschauhaus.«
Danielle krümmte sich ein wenig.
Lavril las weiter vor. »Dibea Monsigne war einmal Komplize bei einem stümperhaften Autodiebstahl. Wurde zweimal wegen Schlägereien festgenommen, die er offenbar verloren hat … Trunkenheit … ordnungswidriges Verhalten.«
Lavril legte das Papier beiseite. »Bei den übrigen sieht es ähnlich aus. Meisterverbrecher, einer wie der andere. Und jetzt sind sie tot.«
»Tot?«, fragte Danielle.
»Allesamt.«
Das ergab keinen Sinn. Die Männer im Haus, ja. Der arme Kerl, der das Stück Leitungsrohr in die Rippen bekommen hatte, ebenfalls, aber die anderen …
»Was ist mit dem auf dem Boot?«
»Im künstlichen Koma wegen einer schweren Kopfverletzung.«
»Was ist mit dem zweiten Mann im Garten?«
»Eine Kugel im Kopf, kleines Kaliber. 25er vielleicht.«
Danielle überlegte fieberhaft. Dieser Mann war am Leben gewesen, als sie ihn zurückgelassen hatten, wenn auch nicht in bester Verfassung. Sie selbst hatte ihn mit Sicherheit nicht erschossen, und Hawker war nur Sekunden nach ihr gekommen. Selbst in seinem Zorn würde er so etwas bestimmt nicht tun.
Da sie stumm blieb, rührte sich Hawker schließlich, was Lavril zu freuen schien. »Und der Mann auf der Straße?«
»Müssen Sie noch fragen?«, sagte Lavril.
»Ich habe ihm ins Bein geschossen.«
»Und in den Kopf.«
»Ich habe einmal auf ihn geschossen«, sagte Hawker. »Ich hatte keinen Grund, ihn zu töten.«
»Und wenn Sie einen gehabt hätten?«
»Dann hätte ich ihn mit der ersten Kugel erledigt«, erwiderte Hawker in scharfem Ton und bestätigte damit ohne Zweifel die Überzeugung des Polizeichefs, dass sie eine Art Killerkommando waren.
Ein Lächeln huschte über Lavrils Gesicht, als er Hawkers Aussage bedachte. Ob er ihnen glaubte, konnte Danielle nicht sagen, und es interessierte sie auch nicht. Ihre Gedanken waren jetzt mit den toten Männern beschäftigt, die noch gelebt hatten, als sie sie zurückgelassen hatten.
Jemand anders musste sie erschossen haben, entweder die französische Polizei, was unwahrscheinlich war, da sie zum einen nicht für solche Dinge bekannt war, und zum anderen bereits vor ihrem Eintreffen eine Menge Schaulustige vor dem Haus zusammengeströmt waren, oder …
Ein anderes Mitglied der Gruppe. Eines das unsichtbar geblieben und entkommen war. Ein Ausputzer. Ein Kontrolleur.
»Sie haben unsere Waffen«, sagte Danielle. »Keine ist Kaliber 25.«
»Sie sind fünf Kilometer gefahren«, sagte Lavril. »Er ist ins Wasser gegangen. Bei so etwas verliert man leicht eine Waffe.«
»Das glauben Sie nicht wirklich«, sagte sie. »Also warum lassen Sie das Theater nicht, erzählen uns, was Sie von uns wollen, und wir bringen das Ganze hinter uns.«
»Sie sind sehr direkt«, sagte Lavril. »Das bewundere ich.«
Er sah zu ihr hinab. »Wissen Sie, man macht viel Aufhebens um die Kluft zwischen Ihrem Land und meinem. Wir sind uns so oft einig wie ein altes Ehepaar. Das ist nicht schwer zu verstehen. Europäischer Boden ist seit fünfhundert Jahren mit Blut getränkt, da Männer aus Paris, Berlin und London versucht haben, die Welt zu beherrschen. Wir haben es schließlich aufgegeben. Aber Sie … Ihr Land ist jünger und spürt erst jetzt den Schmerz, der daraus entsteht, wenn man mehr will, als man erreichen kann.«
Lavril lächelte, ehe er fortfuhr. »Sie sehen unser Widerstreben als Schwäche und ärgern sich darüber. Wir sehen Ihre Zuversicht als Arroganz. Aber in Wahrheit ist nur die Zeit schuld an unserer unterschiedlichen Perspektive.
Mit der Zeit werden Sie die Dinge so sehen, wie wir es jetzt tun«, fuhr er fort. »Vielleicht wird das ein Unglück sein. Es gibt Zeiten für Vorsicht und Zurückhaltung, und es gibt Zeiten für Zorn und … Vergeltung.«
Langsam verschob sich der Fokus von Lavrils Aufmerksamkeit zu Hawker. Und Danielle spürte etwas, vor dem sie sich gefürchtet hatte. Hawkers persönlicher Zorn war bisher unter der Oberfläche geblieben, aber sie zweifelte nicht daran, dass das Feuer der Vergeltung in ihm schwelte.
Lavril griff
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