Eden Prophecy
unerträglich für ihn, aber, wie er immer sagte, es gab größere Gründe.
»Da dein Vater tot und sein Labor zerstört ist, bist du die einzige Verbindung zu 951. Ohne dich können sie nichts machen. Aber mit dir, wenn sie 951 von dir bekommen, können sie die halbe Welt umbringen.«
Sie schluckte schwer. »Wäre es dann nicht besser, mich einfach zu töten?«
»Ich töte lieber die anderen.«
Schweigen breitete sich aus.
Sonia saß da und vergrub das Gesicht in den Händen, als könnte sie gleich in Tränen ausbrechen. Hawker konnte sich nur vorstellen, welcher Zerreißprobe er sie aussetzte. Er bat sie, sich zu verstecken, bis er die Welt sicher für sie gemacht hatte. Das konnte Monate oder Jahre dauern und würde vielleicht nie passieren. In der Zwischenzeit würde Nadia dahinwelken und sterben. Und das Leben ihres Vaters und die Hälfte ihres eigenen wären vergeudet.
»Du verstehst nicht«, flüsterte sie. »Sie brauchen 951 nicht. Sie wollen es im Grunde nicht einmal. Sie wollen die Samen aus dem Garten. Die Frucht vom Baum des Lebens.«
Das ergab keinen Sinn für ihn. »Warum?«, fragte er. »Man kann mit dem Baum des Lebens nicht töten.«
Sie sah ihn mit einem traurigen Ausdruck an. »Sie sind Teufel, Hawker. Sie wollen nicht einfach töten, sie wollen zerstören. Schon im Garten Eden hat Satan Adam und Eva nicht getötet, er hat sie überlistet, sodass sie den Tod selbst über sich brachten.«
»Und das heißt? Worauf willst du hinaus?«
Sie seufzte, und ein Gewicht schien von ihr abzufallen, als hätte sie beschlossen, ihre größte Befürchtung endlich nicht länger für sich zu behalten.
»Ein Virus, das Millionen oder vielleicht sogar Milliarden tötet, wird die Welt nicht zerstören«, sagte sie. »Es wäre eine grauenhafte Tragödie, und wir würden uns vielleicht jahrhundertelang nicht davon erholen, aber auf lange Sicht könnte es der Erde sogar nützen. Und auf jeden Fall könnten wir es bekämpfen, so wie wir jede andere Krankheit bekämpfen. Theoretisch könnten wir sogar ein Gegenvirus kreieren oder die DNA , die ihre Seuche zerstört hat, mithilfe von Gentherapie reparieren. Das ist nicht das, was sie wollen.«
»Was wollen sie dann?«
»Sie wollen das Virus vom Baum des Lebens nehmen«, sagte sie. »Sie wollen es mit dem Trägervirus paaren, das sie bereits haben, und dann rund um den Planeten verbreiten.«
Hawker konnte nicht recht folgen. Irgendetwas musste er übersehen.
»Das Virus vom Baum des Lebens?«, fragte er. »Dasselbe, hinter dem du her bist? Willst du mir erzählen, ihre große Drohung besteht darin, uns mit einer Seuche zu infizieren, die uns ewig leben lässt?« Hawkers Tonfall war jetzt ungläubig, aber es hörte sich für ihn an, als würde man ihm Kuchen, Geld und gutes Aussehen noch dazu androhen. »Tut mir leid, aber das klingt nicht so übel für mich.«
»Nicht für dich«, sagte sie. »Und nicht sofort. Aber wenn sich das Virus mit der Zeit verbreitet und praktisch alle menschlichen Lebensspannen verdoppelt, verdreifacht oder vervierfacht werden, was glaubst du, wird dann passieren? Wenn die Alten nicht sterben, die Jungen nicht alt werden und das gebärfähige Alter ein Jahrhundert dauert statt ein, zwei Jahrzehnte, wird die Bevölkerungszahl extrem explodieren. Und in kürzester Zeit wird dieser Planet unter der Last der Menschheit zugrunde gehen.«
Jetzt begann Hawker zu begreifen.
»Sieben Milliarden jetzt«, fuhr Sonia fort. »Fünfzehn Milliarden in zwanzig Jahren. Dreißig Milliarden Menschen auf diesem Gesteinsbrocken bis zur Mitte des Jahrhunderts. Es werden nur noch Krieg, Elend und Hunger herrschen. Es wird keine Rolle mehr spielen, ob es einen Himmel gibt, denn die Erde selbst wird zur Hölle werden, und die unsterblichen Menschen werden bis in alle Ewigkeit zu dieser Hölle verdammt sein.«
Die Worte klangen in Hawkers Ohren nach, und er fühlte sich vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt. Er konnte sich kaum erinnern, jemals so verblüfft und schockiert gewesen, sich jemals so einfältig, ignorant und blind vorgekommen zu sein. In diesem Moment war er der Trottel, als der er sich in Lavrils Büro ausgegeben hatte. Er war sogar noch schlimmer.
»Sie könnten ein Gegenmittel entwickeln«, stammelte er. »Es bekämpfen, wie du sagst.«
»Und wer wird das nehmen?«, fragte sie. »Wenn es alle anderen täten, das wäre nett, aber wirst du es tun? Werde ich es tun? Die meisten Leute würden sich weigern, zum Wohle des Ganzen eine
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