Eden Prophecy
Selbstmordpille zu schlucken.«
»Es wäre keine Selbstmordpille«, sagte er und wusste in dem Moment, in dem er es aussprach, dass es nicht stimmte.
»Natürlich wäre es das. Es wäre nichts anderes. Eine Pille, die dich sehr viel kürzer leben lässt. Wie soll man das sonst nennen?«
Hawker verstummte. Es war die gleiche Argumentation, die Ranga als junger Mann vorgebracht hatte. Es gab zu viele Menschen auf der Welt. Und es war die gleiche Reaktion: Schön, aber jemand anders möge die Bevölkerungszahl verringern, ich nicht.
»Wenn das Trägervirus die Seuche verbreiten kann, dann kann eine andere Version das Gegenmittel verbreiten«, sagte er. »Etwas das bewirkt, dass sich die Telomere verkürzen. Wir können 951 verwenden, um es in Gang zu setzen.«
»Ja«, sagte sie, »hört sich nach einer großartigen Idee an. Tatsächlich ist es genau das, was die Mörder meines Vaters deiner Vermutung nach im Sinn hatten. Jetzt schlägst du es vor, als wäre es eine vernünftige Idee.«
»Es ist etwas anderes.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nur deine Perspektive hat sich geändert.«
Er wusste, sie hatte recht.
»Ein weltweiter Genozid. Ist es das, was wir brauchen? Eine Endlösung? Mein Vater wurde lächerlich gemacht, weil er vor Jahren etwas Ähnliches vorgeschlagen hat. Man hat ihn einen Faschisten und Fanatiker genannt. Aber jetzt klingt es nicht mehr so fanatisch für dich, oder?«
Es klang immer noch fanatisch, faschistisch und böse für ihn. Er klammerte sich nur an Strohhalme. Aber was konnte die Welt sonst tun? Zwangssterilisation? Man würde vielleicht neunzig Prozent der Menschheit sterilisieren müssen, nur um die Bevölkerungszahl stabil zu halten.
Und wer entschied, welche zehn Prozent sich fortpflanzen durften? Eine Lotterie? Eine gleichmäßige Verteilung unter allen Rassen, Glaubensgemeinschaften und Hautfarben? Ein wissenschaftlicher Ausschuss, der bestimmte, welche Eigenschaften überleben und welche aussterben sollten? Damit wäre man einmal mehr bei der Herrenrasse angelangt.
Mit größter Wahrscheinlichkeit würden die Reichen und Mächtigen das ewige Leben und die Möglichkeit erhalten, ihre Gene weiterzugeben, während man die Armen ohne ihr Einverständnis sterilisieren würde.
Und wenn sie nichts unternahmen, würde die ganze Erde von der Menschheit bedeckt sein, ohne Raum zum Atmen, ohne ausreichende Nahrung oder sauberes Wasser. Genau das, wogegen Ranga immer gekämpft hatte, und jetzt könnte er zur Ursache davon werden.
Unverzeihlich. Hawker verstand jetzt, was er gemeint hatte.
»Wenn dieser Geist erst einmal aus der Flasche ist, bringt ihn nichts wieder hinein. Es gibt keine Behandlungsmethode. Es lässt sich so wenig heilen, wie sich ›Leben‹ heilen lässt.«
»Es tut mir leid«, sagte Hawker. »Ich bin ein Narr und hätte einfach den Mund halten sollen. Ich verstehe jetzt, wovor du Angst hast. Und warum deine Angst so groß ist.«
»Ich will nicht die Ursache von alldem sein, genauso wenig wie mein Vater«, sagte sie. »Aber ich will auch nicht meine einzige Chance aufgeben, Nadia zu retten. Ich will ihr und anderen wie ihr ein Leben ermöglichen.«
»Und diese Gruppe will zerstören. Sie glauben, wenn es ihnen gelingt, dieses Virus zu verbreiten, gibt es keine Hoffnung mehr. Keinen Grund zur Hoffnung. Aus ihrer Sicht hätten sie damit Gottes Schöpfung zerstört. Das Paradies wird für immer verloren sein.«
Hawker dachte über die Situation nach. Die Welt starrte in die Mündung einer Waffe, aber eine Waffe ohne Kugel konnte nichts ausrichten.
»Wir müssen den Garten finden«, sagte er. »Wenn er existiert, müssen wir ihn vor ihnen finden.«
Sonia nickte.
Die Suche wirkte absurd. Aber Sonia und ihr Vater waren ausgebildete Wissenschaftler, keine Esoteriker oder religiöse Fanatiker. Wenn sie dachten, der Garten existiere und sei zu finden, dann musste er ihnen im Zweifelsfall glauben. Und das bedeutete, dass noch immer eine große Gefahr über der Welt schwebte.
»Ich muss telefonieren«, sagte er. Er stand auf, verließ die Bibliothek, ging mit dem Handy am Ohr wieder auf den Balkon hinaus, um Danielle anzurufen.
»Ich habe noch nicht alles herausgefunden«, sagte er.
»Das hätte ich jetzt auch nicht erwartet«, erwiderte sie und klang merkwürdig überrascht über seine Aussage.
»Aber ich weiß, was wir als Nächstes tun müssen«, sagte er. »Wohin wir fahren müssen.«
»Wenn du jetzt sagst, zum Garten Eden, wird mir schlecht.«
»Genau das ist
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