Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
klopfendem Herzen ging ich zur Haustür und öffnete sie. Travis stand direkt vor mir.
»Hi, Travis«, sagte ich, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, dass wir uns hier begegneten – und als würde ich mich ehrlich freuen, ihn zu sehen. »Hat Miranda dich geschickt, damit du mich abholst?«
»Wir müssen reden«, sagte er.
»Das können wir doch zu Hause machen, oder? Ich wollte gerade gehen.« Statt einer Antwort schob Travis mich sanft, aber entschieden ins Haus und schloss die Tür hinter uns.
»Was soll das, Travis?«, fragte ich und versuchte, ihn nicht merken zu lassen, dass ich auf einmal Angst hatte.
»Ich beseitige eure Hinterlassenschaften.«
»Wovon sprichst du?«
»Das weißt du ganz genau.«
Das Herz klopfte mir bis zum Hals. »Wer bist du?«, flüsterte ich mit heiserer Stimme.
»Das dürfte dir mittlerweile klar sein, denke ich. Schließlich hat er dir ja alles erzählt. Da ist bestimmt auch das Wort Aufräumungsagent gefallen.«
Ich schluckte. Travis war Mirandas Freund. Sie waren seit Monaten zusammen. Er war ein Teil unserer Familie geworden. Als Ryan Aufräumungsagenten erwähnt hatte, hatte ich mir automatisch James-Bond-mäßige Schurken vorgestellt. Auf Travis wäre ich nie gekommen.
»Wir müssen Schadensbegrenzung betreiben«, sagte er und schob mich ins Wohnzimmer. »Und damit fangen wir an …«
Er hielt mir ein Blatt Papier vor die Nase. Meinen Brief an Ryan. Ich versuchte, ihn ihm zu entreißen, aber Travis war schneller und versteckte ihn auf dem Rücken.
»Stell dir vor, jemand anders hätte den Brief gefunden«, sagte er ernst. »Wenn du diesen Brief liest, bin ich längst tot. Die ersten ein, zwei Tage zurück in deiner Zeit sind sozusagen der Rest meines Lebens für mich, die ich im Hier und Jetzt zurückbleibe. Es fühlt sich seltsam an, wenn ich mir vorstelle, dass du da draußen noch immer jung und schön bist, wenn ich längst tot und vergessen bin.«
»Hör auf!«, rief ich. Mein Gesicht brannte vor Scham.
Travis zog sein Feuerzeug aus der Hosentasche und zündete das Papier an. Ich sah, wie mein Brief erst ankokelte und dann lichterloh brannte. Achtlos warf Travis meine Botschaft in den Kamin.
»Woher wusstest du davon?«, fragte ich leise.
»Ich hatte keine Ahnung, bis ich ihn ausgegraben hatte. Aber dass ihr beide irgendwas Dummes anstellen könntet, schien mir durchaus im Bereich des Möglichen. Ich fasse es einfach nicht, dass er dich das hat verbuddeln lassen!«
»Er wusste nichts davon.«
»Setz dich, Eden«, sagte Travis und deutete auf das Sofa.
»Ich stehe lieber.«
»Ich tu dir schon nichts. Du brauchst keine Angst zu haben.«
Dass Travis mir etwas antun könnte, lag außerhalb meines Vorstellungsvermögens. Wir hatten so viele Mahlzeiten miteinander geteilt, hatten zusammen mit Miranda auf dem Sofa herumgelungert. Er hatte mich in die Stadt gefahren und wieder abgeholt. Nein, Travis würde mir nichts tun. Vielleicht würde er mir sogar vertrauen, dass ich ihre Geheimnisse bewahrte – wie Ben, Cassie und Ryan. Vielleicht aber auch nicht …
Ich setzte mich. »Woher wusstest du …?«
»… dass du alles weißt?«
Ich nickte.
»Es liegt in der Natur meiner Arbeit, dass ich solche Dinge weiß. Du hast es mir, ehrlich gesagt, aber auch nicht besonders schwer gemacht, dahinterzukommen. Du fingst an, Fragen über Zeitreisen zu stellen, als du dich näher mit Orion Westland anfreundetest. Es war so offensichtlich, dass du in deinem Liebeswahn alles über ihn wissen wolltest. Und als wir zusammen den Nachthimmel angeschaut haben, hast du mir ausgerechnet Algol gezeigt. Du konntest nicht wissen, dass Algol 2012 noch als binäres Sternensystem gilt. Der dritte Stern wird erst 2045 entdeckt werden.«
Ich hielt den Atem an. »Bringst du mich jetzt um?«, krächzte ich.
Travis lachte. »Nein, das habe ich doch schon gesagt: Ich werde dir nichts tun. Wir müssen aber reden. Ich muss genau wissen, was Westland dir alles erzählt hat. Warte hier. Ich gehe uns schnell was zu trinken holen.« Er ging aus dem Raum.
Meine Gedanken rasten. Ich könnte versuchen abzuhauen. Vielleicht schaffe ich es ja bis zum Auto, ohne dass er mich aufhält? Ich seufzte. Das war wenig wahrscheinlich. Er würde mich spätestens an der Eingangstür schnappen. Deshalb beschloss ich, brav hier zu bleiben und auf eine bessere Gelegenheit zu warten. Travis wusste weder, dass ich Auto fahren gelernt hatte, noch dass ich einen Wagenschlüssel dabeihatte. Ich musste das
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