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Eden

Eden

Titel: Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ein giftiges Zischen. Zwischen dem Spalier der Denkmäler schwammen langsam zerfließende graue Wolken. Eine Schar Doppelts hetzte mit lang anhaltendem Stöhnen, Husten und Wimmern durch sie hindurch. Irgendwelche Lumpen und Fetzen flatterten über ihnen, während sie blindlings dahinstürmten, einander rempelten und umrissen. Der Ingenieur drehte sich auf seinem Sitz herum, griff nach dem Hebel und wollte instinktiv seinen Gefährten nachfahren. Etwa hundert Schritt vor sich, am Ende der kleinen Allee, sah er die blassen Gesichter des Doktors und des Chemikers, die verblüfft den hastenden Gestalten nachstarrten. Er konnte jedoch nicht anfahren, denn die Flüchtenden stürzten, ohne auf das Fahrzeug zu achten, dicht an ihm vorbei. Mehrere große Körper brachen zusammen. Das entsetzliche Zischen war ganz nahe, es schien aus der Erde zu dringen.
    Zwischen den nächsten, von den Scheinwerfern des Beschützers erhellten Postamenten kroch ein biegsames Rohr mehrere Zentimeter hoch über den Boden dahin, daraus spritzte ein Strahl kochenden Schaums, der die Erde bedeckte, heftig dampfte und die Umgebung in nebliges Grau hüllte. Als die ersten Schwaden den Turm umwehten, hatte der Ingenieur das Gefühl, als zerrissen ihm Tausende von Stacheln die Lunge. Tränen stürzten ihm aus den Augen, er stieß einen dumpfen Schrei aus und drückte, würgend und vor Schmerz schluchzend, ungestüm auf den Beschleuniger. Der Beschützer schoss nach vorn, stürzte das schwarze Denkmal um und rollte brüllend über die Trümmer hinweg. Der Ingenieur bekam kaum noch Luft, doch er schloss den Turm nicht, denn vorher mussten die anderen noch herein. Er fuhr weiter, ohne dabei mit den tränenden Augen wahrzunehmen, wie der Beschützer auch die anderen Denkmäler niederwalzte. Die Luft wurde reiner. Er hörte es eher, als dass er es sah, wie der Chemiker und der Doktor aus dem Dickicht schnellten und den Panzer erklommen. Er wollte »Einsteigen!« rufen, aber nur ein Krächzen entrang sich seiner verbrannten Kehle. Die beiden sprangen hustend herein. Blindlings drückte er auf den Hebel. Die Metallkuppel schloss sich, doch der Nebel, der ihnen in der Kehle würgte, füllte noch den Innenraum. Der Ingenieur stöhnte und öffnete mit letzter Kraft den Hahn an einer Stahlrohrleitung. Sauerstoff schoss unter hohem Druck aus dem Reduktor. Er fühlte seinen Schlag im Gesicht. Das Gas war so stark komprimiert, dass es ihn wie eine Faust zwischen die Augen traf. Es scherte ihn wenig. Der belebende Zustrom half. Die beiden anderen hingen ihm keuchend über den Schultern. Die Filter arbeiteten. Der Sauerstoff vertrieb den giftigen Schwaden. Sie konnten wieder sehen, aber sie atmeten noch immer schwer. In der Brust spürten sie einen bohrenden Schmerz, als striche bei jedem Atemzug jemand über offene Wunden in der Luftröhre. Aber das gab sich bald. Nach ein paar Sekunden konnte der Ingenieur wieder gut sehen. Er schaltete den Bildschirm ein. In der Seitenallee, an die er nicht herangekommen war, zuckten zwischen den Postamenten der dreieckigen Denkmäler noch ein paar Körper. Die meisten rührten sich nicht mehr. Händchen, kleine Torsos, Köpfe, alles miteinander vermengt, verschwand hinter den träge dahinfließenden grauen Schwaden und tauchte wieder daraus hervor. Der Ingenieur schaltete das Außenhörgerät ein. Ein schwächer werdendes fernes Hüsteln und Heulen drang an ihr Ohr. Hinter ihnen stampfte etwas. Noch einmal wehte ein Chor brüchiger Laute aus der Richtung der miteinander verflochtenen weißen Figuren heran, doch außer dem Wogen des grauen Nebels war dort nichts mehr zu sehen. Der Ingenieur vergewisserte sich, dass der Turm hermetisch abgeschlossen war, und betätigte dann mit zusammengebissenen Zähnen einige Hebel. Der Beschützer drehte sich langsam auf der Stelle, seine Ketten knirschten auf den steinernen Trümmern. Die drei Scheinwerferbündel versuchten die Wolke zu durchstoßen. Er fuhr an den zertrümmerten Denkmälern vorbei und suchte nach dem zischenden Rohr, dessen Versteck er etwa zehn Meter weiter vermutete, dort, wo der Schlamm in die Höhe spritzte. Die schwankende Dampfwoge reichte nun bereits bis an die hoch erhobenen Hände der nächsten Figur. »Nein!« rief der Doktor. »Nicht schießen! Dort können Lebende sein!« Zu spät. Der Bildschirm verfinsterte sich für den Bruchteil einer Sekunde. Der Beschützer sprang hoch, wie von einer gewaltigen Faust getroffen, und sackte mit entsetzlichem Knirschen ein. Kaum

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