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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Grauens und völliger Verzweiflung, die meine Augen je gesehen haben. Widerstand erfuhren wir nur vom Koch, von John Hunt und Richard Parker; aber sie verteidigten sich auf matte und unentschlossene Art. Jene beiden schoß Peters sofort über den Haufen, und ich schmetterte Parker durch einen Kopfhieb mit dem Griff der Pumpe zu Boden. Inzwischen ergriff Augustus eine der herumliegenden Musketen und schoß einen anderen Meuterer, Wilson, durch die Brust. Jetzt waren nur noch drei übrig; aber sie hatten sich endlich aus der Lethargie aufgerafft; vielleicht fing es ihnen zu dämmern an: man hat uns genasführt; denn sie kämpften mit großer Entschlossenheit und Wut, und ohne Peters‘ unerhörte Muskelkraft wären sie wohl noch Sieger geblieben. Diese drei Leute waren: Jones, Greely und Absalon Hicks. Jones hatte Augustus niedergeworfen, ihm mehrere Stiche in den linken Arm versetzt, und er hätte ihn ohne Zweifel rasch abgetan, da weder Peters noch ich von unsern Gegnern loskommen konnten, wäre nicht ein Freund, auf dessen Beistand wir gar nicht rechneten, uns rechtzeitig zu Hilfe gekommen. Dieser Freund war kein anderer als Tiger. Mit einem dumpfen Geknurre kam er in die Kajüte gesprungen, gerade in dem Augenblick, der für Augustus die höchste Gefahr enthielt, warf sich auf Jones und hatte ihn sofort zu Boden gestreckt. Mein Freund war jedoch zu schwer verletzt, um uns irgendwelchen Beistand zu leisten, und mich hinderte meine Verkleidung an kräftigem Einschreiten. Der Hund wollte nicht von Jones‘ Kehle ablassen; Peters war den beiden Übrigbleibenden ein mehr als ebenbürtiger Gegner und wäre wohl schneller mit ihnen fertig geworden, hätten ihn nicht der enge Raum und das furchtbare Stampfen der Brigg stark behindert. Jetzt war es ihm möglich, einen schweren Stuhl zu packen; es lagen mehrere davon auf dem Boden herum. Mit ihm schlug er dem Greely, der eben seine Muskete auf mich abfeuern wollte, den Hirnkasten ein, und da ihn gleich darauf das Rollen des Schiffes mit Hicks in Berührung brachte, umfaßte er seinen Hals und erdrosselte den Mann augenblicklich, allein mit seiner ungeheuren Stärke. So waren wir in viel kürzerer Zeit, als meine Schilderung in Anspruch nahm, die Herren der Brigg geworden.
    Von allen unseren Gegnern war nur noch Richard Parker am Leben. Diesen Menschen hatte ich, wie man sich erinnern wird, zu Anfang des Kampfes mit dem Pumpengriff niedergehauen. Er lag, ohne sich zu rühren, an der Tür der zertrümmerten Kabine; als Peters ihn mit dem Fuß anrührte, tat er den Mund auf und flehte um Gnade. Sein Kopf war nur leicht verwundet, und er hatte sonst keine Verletzung erlitten, da ihn der Schlag nur betäubt hatte. Er stand auf, und wir banden ihm vorläufig die Hände auf dem Rücken zusammen. Der Hund lag noch knurrend auf Jones, aber bei näherer Untersuchung ergab sich, daß der Kerl tot war; aus einer tiefen Wunde am Halse, die ihm offenbar das Tier mit seinen scharfen Zähnen geschlagen hatte, strömte Blut.
    Es mochte jetzt ein Uhr morgens sein, und noch immer blies der Sturm mit aller Macht. Die Brigg arbeitete mit größerer Anstrengung als gewöhnlich, und es erschien unerläßlich, etwas zu ihrer Erleichterung zu unternehmen. Mit jedem Stoß nach Lee kam eine Sturzsee über sie; gar manche von ihnen überschwemmte während des Handgemenges zum Teil die Kajüte, da ich beim Hinuntersteigen die Luke offengelassen hatte. Die Reling an Backbord war völlig verschwunden, ebenso die Kombüse und die Jolle vom Heck. Das Ächzen und Arbeiten des Hauptmastes ließ vermuten, daß er nahezu gespalten war. Um im achtern Kielraum mehr verstauen zu können, hatte man seinen Hiel im Zwischendeck eingestaffelt, ein sehr verwerflicher Brauch, dem unwissende Schiffsbauer zuweilen huldigen, so daß er in unmittelbarer Gefahr war, aus seiner Spur zu weichen. Aber die Krone unseres Mißgeschickes blieb, daß wir nicht weniger als sieben Fuß Wasser im Pumpenpott vorfanden.
    Wir ließen die Toten in der Kajüte liegen und begaben uns sofort ans Pumpen; natürlich wurde Parker befreit und mußte uns bei unserer Arbeit unterstützen. Meines Freundes Arm wurde so gut wie möglich verbunden, und er tat, was er konnte; aber das war nicht viel. Doch fanden wir, daß wir das Leck eben am Wachsen verhindern konnten, wenn wir eine Pumpe in steter Tätigkeit erhielten. Da wir nur unserer vier waren, bedeutete das harte Arbeit; aber wir trachteten, unsern Mut aufrechtzuerhalten, und blickten mit

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