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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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von seiner Unnatürlichkeit geben. Zunächst einmal schien es uns – oder wenigstens mir – als ob die Stimme aus einer unendlichen Ferne oder aus einer tiefen Höhle im Erdboden käme. Ferner gab sie mir eine ähnliche Empfindung (ich fürchte sehr, daß ich mich hier kaum verständlich ausdrücken kann), wie wenn sie bei der Berührung einer gallertartigen oder klebrigen Masse hat. Ich habe sowohl von dem Klang wie von der Stimme gesprochen. Ich möchte sagen, daß der Klang eine deutliche, eine verblüffend deutliche Silbenbetonung zeigte. Valdemar sprach wirklich – und zwar in Antwort auf meine, wenige Minuten vorher an ihn gerichtete Frage, ob er noch schliefe. Er sagte folgendes:
    »Ja – nein – ich habe geschlafen – und jetzt – jetzt – bin ich tot.«
    Niemand von den Anwesenden machte den Versuch, das unaussprechliche, schauerliche Entsetzen zu verbergen, das diese wenigen, auf solche Weise ausgestoßenen Worte in uns erregen mußten. Mr. L., der Student, fiel in Ohnmacht. Die Pfleger verließen sofort das Zimmer und konnten durch nichts veranlaßt werden, zurückzukommen. Meine eigenen Eindrücke könnte ich unmöglich dem Leser verständlich machen.
    Fast eine Stunde lang bemühten wir uns schweigend – denn keiner von uns wagte ein Wort zu äußern –, Mr. L. wieder zum Bewußtsein zu bringen. Erst als er wieder zu sich gekommen war, begannen wir eine erneute Untersuchung von Valdemars Zustand.
    Dieser Zustand war im allgemeinen der gleiche geblieben, wie ich ihn schon beschrieben habe, nur daß der Spiegel keine Anzeichen des Atmens mehr wies. Ein Versuch, dem Arm etwas Blut zu entnehmen, mißlang. Ferner möchte ich erwähnen, daß auch sein Arm nicht mehr meinem Willen gehorchte, und vergebens suchte ich ihn in Kontakt zu meinen Handbewegungen zu bringen. Das einzige Anzeichen eines mesmeristischen Einflusses fanden wir in dem Erzittern der Zunge, das jedesmal eintrat, wenn ich an Valdemar eine Frage stellte. Es schien, als ob er eine Anstrengung machte, zu antworten, aber doch nicht genügend Beweglichkeit dazu hätte. Ich versuchte auch, die übrigen der Anwesenden in mesmeristischen Rapport mit ihm zu setzen, aber gegen alle Fragen von ihrer Seite blieb er völlig unempfindlich. Ich glaube, ich habe nunmehr alles Nötige mitgeteilt, um den damaligen Zustand des Eingeschläferten zu beschreiben.
    Wir besorgten neue Pfleger, und ich verließ mit den beiden Ärzten und Mr. L. gegen zehn Uhr morgens das Haus. Nachmittags besuchten wir von neuem den Kranken und fanden seinen Zustand unverändert. Wir besprachen uns darüber, ob es recht und tunlich sei, ihn aufzuwecken, kamen aber ohne Schwierigkeiten überein, daß dadurch nichts Gutes erreicht werden könnte.
    Es war klar, daß hier tatsächlich der Tod, oder was man im allgemeinen Tod nennt, durch die Mesmerisierung aufgehalten war. Und daraus folgte für uns, daß ein Aufwecken Valdemars nur seine sofortige oder baldige Auflösung zur Folge haben mußte.
    Von dieser Zeit an bis zum Ende der vorigen Woche – also fast sieben Monate lang – fuhren wir fort, täglich in Valdemars Haus vorzusprechen, wobei wir dann und wann von ärztlichen und anderen Freunden begleitet wurden. Während dieser ganzen Periode blieb der Eingeschläferte in genau demselben Zustande, wie ich ihn zuletzt beschrieben habe. Er befand sich immer in Überwachung durch die Pfleger.
    Am letzten Freitag nun beschlossen wir endgültig, ihn aufzuwecken oder wenigstens den Versuch zu machen, ihn aufzuwecken, und das (vielleicht) unglückliche Resultat dieses Versuchs hat dann zu vielen Auseinandersetzungen in privaten Kreisen und zu den nach meiner Ansicht unberechtigten Gefühlsausbrüchen geführt.
    Um Valdemar aus der mesmeristischen Einschläferung zu erwecken, machte ich wieder die gewöhnlichen Striche. Eine Zeitlang hatte ich damit keinen Erfolg. Das erste Anzeichen des Erwachens war eine kleine Senkung der Iris. Als besonders auffallend wurde hierbei bemerkt, daß bei diesem Herabtreten der Pupille eine gelbe Flüssigkeit unter dem Augenlid herausfloß, die einen durchdringenden und sehr unangenehmen Geruch verbreitete.
    Man riet mir jetzt zu einem Versuch, den Arm des Eingeschläferten wie früher zu beeinflussen. Ich versuchte dies auch, hatte aber keinen Erfolg damit. Darauf drückte Dr. F. den Wunsch aus, ich möchte eine Frage stellen. Ich tat das auch, und zwar folgendermaßen:
    »Valdemar, können Sie uns Ihre augenblicklichen Gefühle oder Wünsche

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