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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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sich mit mir zu besprechen, von dem Kranken endgültig Abschied genommen, da sie nicht beabsichtigten, noch einmal wiederzukommen. Auf meine Bitte versprachen sie aber noch einen Besuch für den nächsten Abend um zehn.
    Als sie fort waren, sprach ich offen mit Valdemar über seine bevorstehende Auflösung und vor allem über das verabredete Experiment. Er erklärte, er sei noch immer willig, ja begierig darauf, daß es gemacht werde, und drängte mich, sofort damit zu beginnen. Aber obgleich ein Pfleger und eine Pflegerin im Zimmer waren, trug ich doch Bedenken, einen solchen Versuch zu wagen, ohne für den Fall eines plötzlichen Unglücks zuverlässigere Zeugen als diese beiden zu haben. Ich verschob daher den Beginn des Experiments, bis mich am nächsten Abend gegen acht Uhr der Besuch eines mir bekannten Studenten der Medizin, des Herrn Theodor L., aus aller Verlegenheit riß. Es war zwar ursprünglich meine Absicht gewesen, auf die Ärzte zu warten, aber jetzt ließ ich mich doch verleiten, anzufangen. Valdemar bat mich dringend darum, und ich kam auch zur Überzeugung, daß keine Zeit zu verlieren sei, da seine Kräfte schnell abnahmen.
    Herr L. erklärte sich auf meinen Wunsch gern bereit, alles, was geschehen würde, zu notieren, und das, was ich von jetzt ab berichte, ist wörtlich oder im Auszug seinen Aufzeichnungen entnommen.
    Es war etwa fünf Minuten vor acht, als ich die Hand des Kraulen ergriff und ihn bat, Herrn L., so deutlich es ihm möglich sei, zu bezeugen, daß er (Valdemar) vollkommen damit einverstanden sei, daß ich mit ihm in diesem Zustand das Experiment des Mesmerisierens mache.
    Er antwortete schwach, aber deutlich hörbar: »Ja, ich wünsche mesmerisiert zu werden.« Und gleich nachher fügte er hinzu: »Ich fürchte, Sie haben es zu lange hinausgeschoben.«
    Während er dieses sagte, begann ich die Striche, die ich bei ihm schon als besonders einschläfernd erkannt hatte, indem ich meine Hände quer über die Stirn führte. Er wurde auch ohne Zweifel sofort dadurch beeinflußt, aber obgleich ich alle meine Kraft anstrengte, kam ich doch eigentlich nicht viel weiter. Als kurz nach zehn, wie verabredet, die Ärzte D. und F. kamen, erklärte ich ihnen in wenigen Worten meine Absicht, und sie erhoben keine Einwendungen, da der Kranke schon im Todeskampf liege. Ich fuhr daher in meinen Bemühungen fort, ging aber jetzt von den Querstrichen über die Stirn zu Abwärtsstreichungen über und richtete meinen Blick fest auf das rechte Auge des Kranken.
    Sein Puls war jetzt nicht mehr fühlbar, der Atem ging rasselnd und kam nur alle halbe Minuten.
    Dieser Zustand blieb eine Viertelstunde lang fast unverändert. Dann aber entrang sich der Brust des Sterbenden ein tiefer Seufzer, und das rasselnde Atemgeräusch war nicht länger hörbar. Die Glieder des Kranken wurden eiskalt.
    Fünf Minuten vor elf bemerkte ich unzweifelhafte Anzeichen der mesmerischen Einwirkung. Das glasige Aussehen der Augen war dem eigentümlichen, nach innen gerichteten Blick gewichen, der für Eingeschläferte so charakteristisch ist. Auf ein paar schnelle seitliche Striche begannen die Augenlider leise zu zittern, und kurz nachher schlossen sie sich ganz. Ich war aber damit noch nicht zufrieden, sondern fuhr unter Anspannung aller Willenskraft kräftig mit meinen Streichungen fort, bis die Gliedmaßen, die ich in eine bequeme Lage gebracht hatte, ganz steif geworden waren. Die Arme und Beine waren ausgestreckt, der Kopf lag etwas erhöht.
    Als ich dieses Ziel erreicht hatte, war es Mitternacht geworden und ich bat die Herren, Valdemars Zustand zu untersuchen. Nach einigem Prüfen erklärten sie, daß er in einem ungewöhnlich tiefen mesmeristischen Schlaf liege. Das Interesse der beiden Ärzte war aufs höchste erregt. Dr. D. entschloß sich sofort, die Nacht über bei dem Kranken zu bleiben, während sich Dr. F. mit dem Versprechen, bei Tagesanbruch zurückzukehren, entfernte. Auch Herr L. und das Pflegepaar blieben da.
    Wir ließen Valdemar bis gegen drei Uhr morgens gänzlich ungestört. Dann näherte ich mich ihm und fand ihn in genau dem gleichen Zustand wie vorher. Er hatte seine Lage nicht verändert, und der Puls war nicht zu fühlen. Der Atem ging so leise, daß man ihn nur durch einen Spiegel feststellen konnte. Die Augen waren wie im natürlichen Schlaf geschlossen und die Glieder so steif und kalt wie Marmor. Trotzdem glich sein Zustand keineswegs dem eines Toten.
    Als ich mich Valdemar näherte, machte ich

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