Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
Verzweifelt versuchte er, sich zu befreien. Doch der Sack war gut verschnürt, die Tierfänger verstanden ihr Handwerk. Nach einer Weile gab Edgar auf. Er musste einfach abwarten, wohin man ihn brachte. Vielleicht ergab sich ja bei seiner Ankunft eine Gelegenheit zur Flucht.
D ie Fahrt auf dem Karren schien endlos zu dauern. Ab und zu hielten die Männer das Gefährt an, und ein weiterer Sack wurde auf die Ladefläche geworfen. Es maunzte um Edgar herum, einige gefangene Katzen jammerten, andere waren stumm vor Schreck.
Endlich schienen die Fänger genügend Beute gemacht zu haben. Die Fahrt ging gleichmäßig voran und stockte nicht mehr. Edgar lauschte. Der Untergrund, über den der Karren holperte, veränderte sich. Es klang nicht mehr wie ein Pflaster, sondern wie ein sandiger oder erdiger Weg. Kurz darauf hörte sich das Geräusch wieder anders an: Jetzt fuhr der Karren über feinen Kies …
Plötzlich stoppte das Gefährt. Stimmen wurden laut.
»Habt ihr welche?«, fragte eine tiefe Männerstimme.
»Ja, heute Nacht hat es sich gelohnt«, erwiderte eine andere Stimme, die zu den Fängern gehörte. »Es müssen so acht oder zehn Stück sein.«
»Sehr fein, sehr fein«, erwiderte ein dritter, offenbar ein alter Mann, denn seine Stimme klang brüchig. »Ich brauche dringend neue Katzen, um meine Experimente fortzusetzen.« Er kicherte, als hätte er einen Witz gemacht. »Habe neulich versehentlich ein paar Katzen ins Traumreich geschickt, aus denen sie bis heute nicht erwacht sind. Zu hohe Dosis … hatte meine Brille nicht auf.« Er kicherte wieder.
Nun klimperten Münzen, anscheinend wurden die Fänger für ihre Dienste entlohnt. Edgar spürte, wie sein Sack hochgehoben wurde. Jemand warf ihn sich über die Schulter, zusammen mit zwei anderen Säcken. Schritte knirschten über den Kies, dann hörte es sich so an, als stiege der Träger eine Treppe hinunter. Ein Schlüssel wurde in ein Schloss gesteckt und rumpelnd herumgedreht. Eine Türangel quietschte.
»Wo bringen die uns hin?«, jammerte eine Katze neben Edgar.
Eine fremde Katzenstimme antwortete: »Geradewegs in die Hölle, schätze ich!«
»Schnauze, ihr Katzen!«, bellte der Träger. »Ruhe in den Säcken, sonst ziehe ich euch eins über den Schädel.«
Die beiden Katzen schwiegen erschrocken. Auch Edgar sagte nichts. Er hatte so große Angst bekommen, dass sich seine Gedärme zusammenzogen. Er musste dringend, lange würde er es nicht mehr aushalten können.
Wieder ein Geräusch. Licht flammte auf, dessen Schein durch den grob gewebten Sack drang. Die Säcke wurden auf dem Boden abgelegt. Dann wurde Edgars Sack geöffnet, eine grobe Männerhand packte Edgar im Genick und verfrachtete den kleinen strampelnden Kater in einen Drahtkäfig.
»So, Schwarzer, hier wird es dir gefallen.« Der Mann lachte.
Edgar konnte nicht anders, er musste in der Käfigecke sein Häuflein absetzen. Normalerweise vergrub er seine Hinterlassenschaft sorgfältig, aber hier war nichts, worin er etwas vergraben konnte: keine Erde, kein Sand, keine Sägespäne. Nur der kalte, metallene Käfigboden …
»Boah, so ein Ferkel!«, dröhnte der Mann. »Bin froh, dass ich nichts abbekommen habe.« Er griff sich den nächsten Sack, um die darin gefangene Katze in einen anderen Käfig zu setzen.
Vorsichtig schaute Edgar sich um. Er befand sich in einem großen Raum. An den Wänden und in der Mitte standen lange Tischreihen mit Käfigen. Er sah etliche Katzen, aber auch andere Tiere, etwa Kaninchen und Eichhörnchen. Er entdeckte auch einen großen Hund mit glasigen Augen, der so apathisch war, dass er nicht einmal wegen der Katzen bellte. Die Eichhörnchen turnten nervös in ihren Käfigen herum und sprangen immer wieder gegen das Gitter. Eines der Kaninchen drehte sich unablässig im Kreis, als sei es ein Spielzeug, das von jemandem aufgezogen worden war.
Edgar fühlte sich äußerst unwohl. Es war kein schöner Ort, an dem er gelandet war, im Gegenteil. Er konnte die Angst der anderen Tiere spüren. In diesem Raum lauerten Gefahren, Qualen und Schmerzen, sogar der Tod …
Alle gefangenen Tiere waren jetzt ausgeladen. Die Tierfänger zogen sich zurück. Nur ein alter Mann in weißem Kittel und glänzender Brille mit Goldrand spazierte noch umher, die Hände auf dem Rücken, und blickte in jeden Käfig. Dabei murmelte er immer wieder: »Fein, sehr fein. Schöne Kätzchen, kluge Kätzchen. Genießt eure letzte Nacht. Ab morgen werdet ihr leider
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