Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
auf dem Boden eine kleine Pfütze bildete. Draußen war es milder geworden, gleichzeitig regnete es ununterbrochen. Edgar war froh, dass sie eine geschützte Zufluchtsstätte hatten. Er hatte inzwischen auch ein paar Mäuse gejagt und war jetzt einigermaßen geübt. Ein großer Jäger würde vermutlich nie aus ihm werden, aber immerhin reichte es, um über die Runden zu kommen.
In den ersten vierundzwanzig Stunden machten sich Edgar und Algernon große Sorgen um Leyla. Sie regte sich kaum und hatte weder Kraft noch Lust, ihr Fell zu pflegen und den Schmutz darin zu entfernen. Wenn sie die Augen für einen Moment öffnete, war ihr Blick trüb und ohne Interesse. Algernon leckte ihr das Fell, flüsterte ihr zärtliche Worte ins Ohr und bewachte ihren Schlaf, wenn er nicht auf der Jagd war.
Edgar hatte Zweifel, ob Leyla durchkommen würde. Ihr Lebenswille schien erloschen zu sein – genau wie das Feuer, das das Antiquariat zerstört hatte und das von der Feuerwehr und dem Regen endlich unter Kontrolle gebracht worden war. Worüber trauerte sie mehr? Um die Bücher, in die sie so oft ihre Nase gesteckt hatte? Oder um ihren Herrn, den alten Buchhändler?
Edgar beschloss, sie zu fragen, sobald sie dafür wach genug war. Manchmal tat es ja gut, über seinen Kummer und seine Gefühle zu reden …
»Hat sie Fieber?«, fragte er Algernon, als dieser wieder einmal in Leylas Kiste gesprungen war, um nach ihr zu sehen.
»Ich weiß nicht«, antwortete der Kater. »Ich glaube nicht.«
»Das ist ein gutes Zeichen«, meinte Edgar. »Wie sieht ihre Wunde am Bauch aus?«
»Kann ich schlecht erkennen … Sie liegt drauf. Aber es hat aufgehört zu bluten, und ein paar Krusten sind schon abgefallen, denke ich.«
Zwei Tage nach dem Brand, in denen Leyla nur das Nötigste gefressen hatte, wachte sie endlich richtig auf. Ihre Augen glänzten, aber ihr Blick war klar. Sie stemmte sich hoch und begann mit der Katzenwäsche.
»Oh, wie ich aussehe! Schrecklich! Alles ist verklebt und voller Dreck! Das kriege ich nie wieder sauber …« Unermüdlich war ihre rosa Zunge in Bewegung.
Edgar freute sich, Leyla so munter zu sehen.
»Wie geht es dir?«, fragte er. »Wie fühlst du dich?«
»Schmutzig«, jammerte sie.
»Und dein Bauch? Schmerzen?«
»Geht so.«
»Lass mich mal deine Wunde anschauen«, bat Edgar.
Leyla zierte sich erst ein bisschen, aber dann drehte sie sich so, dass Edgar einen Blick auf ihren Bauch erhaschen konnte. Die Wunde hatte sich geschlossen und schien zu heilen.
Edgar nickte zufrieden.
Leyla putzte sich eine Weile weiter, dann hielt sie inne. »Ich frage mich, warum er mich vergessen hat. Ich glaube, er liebt seine Bücher mehr als mich.«
»Redest du von Carrington?«
»Ja.« Leylas Stimme klang weinerlich. »Ich weiß, dass er noch lebt. Ich würde spüren, wenn er tot wäre. Er hat sich in Sicherheit gebracht … und ich wäre fast verbrannt. Das verzeihe ich ihm nie!«
Edgar überlegte, wie es wäre, wenn Emma ihn vergessen hätte. Er konnte sich die Situation nur schwer vorstellen. »Aber du weißt schon, dass es bei Menschen anders ist als bei Katzen? Dass sie nur ein einziges Leben haben?«
»Edgar, ich bin viel älter als du und ich habe sicher schon über tausend Bücher gelesen«, erwiderte Leyla und ihr Tonfall klang leicht arrogant. »Ich bin nicht dumm!«
»Entschuldige«, sagte Edgar kleinlaut. »Ich meine nur … Menschen müssen sich wohl so schnell wie möglich in Sicherheit bringen. Sie haben keine zweite Chance. Schade eigentlich.«
Denn dann hätte der Sensenmann in Emmas Wohnung gestanden und hätte dort seinen Spruch aufgesagt. Und Emma hätte vielleicht ein wenig länger geschlafen als sonst, aber dann wäre sie aufgestanden und hätte sich um Edgar gekümmert. Emma! Edgars Herz brannte vor Sehnsucht. Ihre weichen faltigen Hände, die ihn immer so liebevoll gestreichelt hatten … Er seufzte.
»Selbst wenn er noch lebt, werde ich nicht zu ihm zurückgehen«, rief Leyla. Ihre Augen waren schmal, in ihnen stand Zorn. »Er hat mich nicht verdient. Ich habe ihm immer die Treue gehalten – und er lässt mich bei erster Gelegenheit im Stich!« Energisch putzte sie sich weiter.
»Du willst also nicht zu Carrington – «, begann Edgar, doch weiter kam er nicht, denn Leyla fauchte ihn an: »Erwähne diesen Namen nicht mehr!«
»O-okay«, stotterte Edgar. »Du bleibst also bei uns, ja? Darüber wird sich Algernon aber freuen. – Ich mich natürlich auch«, fügte er schnell
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