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Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Titel: Edgar und die Schattenkatzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marliese Arold
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Putzen beruhigte ihn – und er ärgerte sich gerade mächtig. Warum ging immer alles schief? Er hatte es gut gemeint! Wenn er doch lesen könnte! Dann würde er sich vielleicht nicht mehr so blamieren und wäre so klug wie Leyla … Auf alle Fälle würde er das Buch heimlich zur Seite schaffen. Immerhin standen Worte darin, die einen Sinn ergaben. Und Worte wurden aus Buchstaben gebildet, so viel wusste er immerhin schon. Möglicherweise konnte er mithilfe des Buches Lesen lernen … Sein Herz schlug vor Aufregung ein bisschen schneller, und seine Wut auf Leyla verflog. Schließlich brauchte er sie, sie musste ihm zeigen, wie es ging.
    Am Abend zog Algernon wieder los, um auf Jagd zu gehen, und Edgar nutzte die Gelegenheit, um mit Leyla ein Gespräch zu beginnen.
    »Bücher bedeuten dir wohl viel?«
    »Ja.« Sie nickte. »Bücher sind wie Türen, die in neue Räume führen.«
    Edgar musste erst ein bisschen nachdenken, bevor er den Satz begriff. »Oh ja, das kann ich mir vorstellen«, stimmte er ihr dann zu. »Ich beneide dich. Meinst du, du kannst es mir beibringen? Das Lesen, meine ich.«
    Leyla sah ihn an und ließ sich mit ihrer Antwort Zeit. »Traust du dir das wirklich zu?«, fragte sie. »Es gibt nur wenige Katzen, die lesen können. Ich bin eine Ausnahme. Wie du weißt, bin ich von edler Abstammung. Ich weiß nicht, ob jemand wie du überhaupt intelligent genug ist, um lesen zu lernen.«
    Peng! Edgar fühlte sich so, als hätte jemand mit einem Knüppel auf seinen Kopf geschlagen. Leyla hielt sich für etwas Besseres! Er musste erst einmal nach Luft schnappen, um ihre Reaktion zu verdauen.
    »Aber wir können es natürlich gerne einmal versuchen«, fuhr Leyla fort. »Obwohl ich mir nicht viel Hoffnung mache, denn vielleicht ist dein Gehirn einfach nicht geeignet …«
    »Es reicht!«, fauchte Edgar sie an. Er platzte vor Wut. »Du denkst wohl, ich bin dumm! Das stimmt nicht! Ich habe mich sogar mit dem Schlächter unterhalten.« Er brach ab. Er hatte einfach keine Lust mehr auf irgendwelche Diskussionen. Und er wollte jetzt auch Leyla nicht mehr sehen. Im Moment hatte er die Nase voll von ihr.
    Er verließ den Keller durch das Loch und stand im Freien. Der Abend war ungemütlich, und es nieselte – wie so oft in London. Doch Edgar war noch immer so wütend, dass ihm das Wetter egal war. Wie in Trance durchquerte er die Gasse und schimpfte in Gedanken mit Leyla. Von ihr brauchte er sich nicht beleidigen zu lassen!
    Der schwarze Kater lief ohne Ziel. Die Bewegung tat ihm gut. Vielleicht würde er auch eine Maus fangen, das würde seine Laune sicher heben. In Zukunft würde er nicht mehr so viel Zeit mit Leyla im Keller verbringen. Sollte sie sich doch alleine langweilen!
    Edgar hatte schon einige Gassen hinter sich gelassen und gelangte auf eine breitere Straße. Er hielt inne und versuchte sich zu orientieren. Noch immer war er sehr zornig, und vermutlich war das auch der Grund, dass er zu spät auf das Geräusch hinter seinem Rücken reagierte. Er fuhr herum, aber da stülpte sich schon ein kratziger Sack über ihn und Edgar war gefangen.
    Sofort begann er sich zu wehren. Er kratzte und biss um sich, aber er erwischte nur schmutzigen Stoff. Er spürte, wie er hochgehoben wurde, dann landete der Sack unsanft auf einem Karren. Holzräder rumpelten über das Pflaster. Neben und hinter Edgar wimmerte es. Er war nicht die einzige Katze, die in dieser Nacht von Tierfängern geschnappt worden war.
    Wohin bringen sie mich?, dachte Edgar voller Angst. Und was hatte man mit ihm vor? Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Einen Moment lang hatte er die Hoffnung, dass man ihn vielleicht zu einem neuen Herrchen oder zu einem neuen Frauchen bringen würde …
    Wärme. Ein kuscheliges Körbchen. Immer genug zu fressen, ohne sich selbst um die Nahrung kümmern zu müssen. Hände, die ihn streichelten und zwischen den Ohren kraulten.
    Edgar seufzte vor Sehnsucht. Wie schön hatte er es bei Emma gehabt. Ihm hatte es an nichts gefehlt – egal, was Algernon von so einem Stubenleben hielt. Edgar war jedenfalls glücklich gewesen. Und wenn er jetzt wieder so ein Leben führen könnte, warum nicht?
    Aber was war dann mit dem Schlächter?
    Er und Algernon hatten sich doch vorgenommen, ihn zur Strecke zu bringen. Und jetzt, wo Leyla bei ihnen war, hatten sie sogar Verstärkung. Die Chancen standen gar nicht so schlecht!
    Aber nun steckte Edgar in diesem verdammten Sack und fuhr einem ungewissen Schicksal entgegen.

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