Edgar Wallace - Der grüne Bogenschütze
aus. Sie legte sich nieder und erwartete nicht, daß sie auch nur einen Augenblick schlafen könnte. Aber kaum hatte sie die Augen geschlossen, als sie auch schon in tiefen Schlaf fiel. Julius Savini hatte einen Stuhl gegen die Tür gestellt und sich dort niedergelassen. Das kleine Schwert lag über seinen Knien. Seine Kleidung war unordentlich, seine Augen waren müde, und alle Glieder taten ihm weh. Er schlief kurze Zeit, dann wachte er wieder auf. So verging die Nacht, und der Tag brach an. Das Deckenlicht zeigte sich erst grau, dann weiß, und schließlich schien das goldene Sonnenlicht hindurch. Plötzlich wurde das Fenster aufgerissen, und das Gesicht von Coldharbour Smith erschien in der Öffnung.
»Guten Morgen, mein kleiner Liebling« begann er. Dann sah er plötzlich Julius und verschwand.
Julius Savini, der auf alles gefaßt war, hörte, wie sich der Schlüssel im Schloß drehte. Er war bereit, Coldharbour Smith anzuspringen, aber plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, und Julius sah sich plötzlich der Mündung einer Pistole gegenüber.
Vor dieser stärkeren Waffe ließ er die Hände sinken.
»Wir wollen uns einmal ein wenig unterhalten, Julius! Vor allen Dingen wird der Säbel auf den Tisch gelegt!«
Savini mußte wohl oder übel gehorchen.
»Was hat das alles zu bedeuten? Wer hat Sie denn hierhergeschickt?«
Julius war groß im Erfinden von Ausreden und hatte schon eine Lüge bei der Hand.
»Der Alte« sagte er nachlässig. »Er hat schon Unannehmlichkeiten wegen des Mädels gehabt und gab mir den Auftrag, an Bord zu gehen, um mit Ihnen zu reden. Er will haben, daß Sie sie gehen lassen.«
Smith grinste.
»Da soll mich doch der Teufel holen, wenn ich das tue! Aber wenn er Sie an Bord geschickt hat, warum kamen Sie denn nicht geradenwegs zu mir?«
»Ich konnte Ihre Kabine nicht finden, und schließlich dachte ich, Sie wären hier drinnen und sprang herein, weil ich nicht wollte, daß mich die Matrosen sehen sollten. Kaum war ich hier unten, als jemand das Deckfenster schloß.«
Smith nickte.
»Ich habe den Befehl gegeben, es zu schließen. Aber ich hatte keine Ahnung, daß ich solch einen seltenen Vogel wie Sie fangen würde. Bellamy will also, daß ich sie wieder an Land bringe? Hat er denn auch Vorkehrungen getroffen, daß ich wegen der ganzen Sache nicht in Unannehmlichkeiten komme? – Sie lügen, Julius!« Bei diesen Worten sah er ihn scharf an. »Ihre Kleider sind ganz mit Schmutz bedeckt – und was wollen Sie denn mit dem Säbel da? Ich werde Sie mal erst hier festsetzen und mich bei dem Alten erkundigen, was das mit Ihnen zu bedeuten hat! Für Geld machen Sie ja alles!« Plötzlich kam ihm ein Gedanke. »Sagen Sie, hat Featherstone Sie hierhergeschickt?« Er schlug sich auf den Schenkel. »Sicher, jetzt hab ich’s! Sie sind ein Lockspitzel! Na, das überrascht mich gar nicht.«
Er stieß einen schrillen Pfiff aus, und ein dunkler Matrose kletterte die Verbindungsleiter herunter. Smith sprach leise mit ihm. Dann ging der Mann fort und kam mit einem Paar rostigen Handschellen zurück.
»Manchmal mache ich so ein bißchen Polizeiarbeit auf eigene Faust« sagte Coldharbour Smith, »strecken Sie die Hände aus, daß ich sie Ihnen anlegen kann.«
Die Eisen schnappten über Julius Handgelenken ein. Dann wurde er von den Matrosen nach vorne über das Deck gebracht und mußte durch die kleine Falltür in den dunklen Raum klettern, wo die Ankerketten aufbewahrt wurden.
»Setzen Sie sich mit dem Rücken zu der Öffnung« befahl Smith, und als Julius gehorchte, band Smith ihm die Füße zusammen. »Wenn der Alte bestätigt, daß Sie die Wahrheit gesagt haben, werde ich mich bei Ihnen entschuldigen« sagte er fast liebenswürdig. »Aber inzwischen bleiben Sie hier, und ich werde mir noch überlegen, was ich mit Ihnen mache, wenn wir erst auf See sind.«
Er warf die Falltür zu und legte den eisernen Bolzen vor. Julius grinste, denn die Handschellen waren viel zu weit für ihn, und er hatte bereits seine Fesseln abgestreift, bevor Coldharbours Schritte vollständig verhallt waren.
49
S pät am Nachmittag stand ein Geheimpolizist, der sich scheinbar langweilte, auf der Commercial Road, als plötzlich ein ihm bekanntes Gesicht unter der Menge auftauchte.
»Lacy, wenn ich nicht irre?« fragte er. Dann verhaftete er seinen Mann ganz ordnungsgemäß.
»Was wollen Sie denn von mir, Johnson? Was soll ich denn schon wieder verbrochen haben?« fragte der Gefangene harmlos. »Ich kann mich nicht
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