Edgar Wallace - Der grüne Bogenschütze
gemacht, aber er war noch niemals an Bord eines Dampfers wie die »Contessa« gewesen. Als er die Kajüte des Vorderschiffes erreichte, schaute er sich um. Eine Eisenleiter, die zu dem oberen Bootsdeck führte, schien ihm die günstigste Gelegenheit zu geben, sich zu verbergen. Schnell eilte er die Stufen empor. Seine Verteidigungswaffe trug er unter dem Arm, – es war ein Schwert mit kurzer Klinge, das er vor einer Viertelstunde einem kleinen Jungen abgenommen hatte. Es war alt, aber es hatte doch eine scharfe Spitze, und obgleich die Schneide manche Scharte aufwies, hätte man es doch im Falle der Gefahr als gefährliche Waffe gebrauchen können. Er wollte den Knaben bezahlen, aber da er gerade nicht das nötige Kleingeld besaß, hatte er es ihm einfach weggenommen und war damit davongeeilt. Die schreienden und schimpfenden Jungen liefen hinter ihm her, aber er entkam zu der kleinen Werft, von der Valerie zur »Contessa« gefahren war. Dort fand er ein kleines Ruderboot und machte sich damit auf den Strom. Er kam an dem Fahrzeug vorbei, das zur Werft zurückfuhr, um Coldharbour Smith abzuholen.
Julius war allerdings kein Fechter, auch war er sonst nicht mit Waffen vertraut, aber der Besitz dieses kleinen Säbels brachte ihm das Gefühl des Mutes und der Sicherheit, das er in diesem kritischen Augenblick so notwendig brauchte. Er war sich selbst nicht recht darüber klar, was er tun sollte. Valerie Howett war mit Lacy zusammen an Bord des Schiffes gegangen, und von Lacy wußte er aus früherer Zeit genug. Er hatte ihn sofort wiedererkannt, als er mit dem Wagen durch Garre fuhr. Er wußte, daß er ein Komplize von Coldharbour Smith war und mit diesem zusammenarbeitete. Vielleicht hatte die Sucht nach persönlichem Vorteil Julius dazu veranlaßt, so kühn auf den Gepäckhalter des Autos zu springen. Er überlegte sich in seinem dunklen Versteck oben auf Deck, was ihn zu dieser Tat getrieben hatte.
Aber dann kam doch die Sicherheit über ihn, daß er aus menschlichem Mitgefühl gehandelt hatte.
Die Nacht war eben erst hereingebrochen, und er dachte darüber nach, was er jetzt tun sollte. Coldharbour Smith war an Bord, und auch andere Leute waren noch gekommen: ein Motorboot mit vier Mann Besatzung. Er hatte sie undeutlich bemerkt, als sie an der Seite des Schiffes anlegten, aber er wußte nicht, wer sie sein konnten.
Nach einiger Zeit hörte er das Boot wieder abfahren und schlich vorsichtig hinter dem Schornstein auf dem Bootsdeck entlang. Er hatte einen schmalen Lichtschimmer entdeckt und als er näherkam, erkannte er, daß er aus einem in den Boden eingelassenen Fenster hervorkam, das mit undurchsichtigem, gerilltem Glas geschlossen war. Leise hob er eine Ecke des Fensters ein wenig an, so daß er die eine Ecke eines unsauberen Salons sehen konnte. Julius hätte sich in seiner Erregung beinahe verraten, denn die erste, die er sah, war Valerie Howett! Sie saß auf einem Stuhl am Ende eines ungedeckten Tisches, und ein Blick in ihr weißes Gesicht mit den zusammengepreßten Lippen sagte ihm alles, was er wissen wollte.
Er hatte sich unangenehmer Gedanken nicht erwehren können. Es wäre ja möglich gewesen, daß sie Lacy freiwillig gefolgt wäre, und daß all seine Anstrengungen und die Gefahren, die er auf sich genommen hatte, umsonst waren. Aber nun durchschaute er die Sache. Coldharbour Smith saß an ihrer rechten Seite. Seine beringten Hände lagen auf dem Tisch, und er hatte ihr sein böses Gesicht zugekehrt. Sie sprachen miteinander, aber das Rauschen des Wassers war so laut, daß Julius kein Wort verstehen konnte. Er fand einen Messinghaken, der offensichtlich dazu diente, das Fenster offenzuhalten. Mit großer Anstrengung befestigte er ihn, legte sich dann platt auf den Boden und lauschte angestrengt.
Coldharbour konnte ihn unter keinen Umstünden sehen. Der Salon unten wurde nur durch eine einfache Petroleumlampe erhellt, die obendrein noch durch einen Schirm abgeblendet war, der alles Licht nach unten auf den Tisch warf.
»Wir werden morgen abend abfahren« sagte Smith. »Sie können es sich aus dem Kopf schlagen, daß Ihr Freund Featherstone noch im letzten Moment kommt und Sie von hier wegholt. Sie wissen doch, was das für mich bedeutet, wenn Sie gefunden werden?«
Sie wandte ihren Kopf nicht um, sondern starrte nur ins Leere.
»Dafür werde ich lebenslänglich ins Gefängnis gesteckt. Lieber würde ich mich aufhängen lassen! Hüten Sie sich, mir irgendwelche Schwierigkeiten zu
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