EduAction: Wir machen Schule (German Edition)
und Schwächen sprechen kann. Das war für mich pädagogisch sehr erfüllend.«
Vorher war das Instrument immer eine Pflichtübung. Seit der Musik-Herausforderung spielt Leon freiwillig Klavier, geht freiwillig zum Unterricht und gern zu den Bandproben.
Anja Niesler, Schülermutter
Nach nur drei Wochen ist aus neun Jungs, die sich vorher zum Teil untereinander nicht kannten, eine Band geworden, sie spielen zusammen wie erfahrene Profis. Sogar erste eigene Lieder haben sie schon geschrieben. Auf unserem »Campus Herausforderung« ist »Rosehip« aufgetreten, und nicht nur die Schüler, auch unsere Lehrer und Eltern haben sich anstecken lassen und mitgerockt. Drei Wo chen später ist die Band bei einem Kongress im Bregenzer Festspielhaus vor 1600 Leuten aufgetreten – die Jungs mussten neun Zugaben geben. Rosehip ist eine klare Bestätigung der Hirnforschung: Gib begeisterten jungen Menschen Zeit für ihre Sache und einen Meis ter an die Seite, und du erreichst Leistungen, die traditioneller Unterricht nicht hervorbringen kann. Die Bandprobe haben wir jetzt als zweistündige Werkstatt im Stundenplan untergebracht, und auch nach der Schule kann sich Rosehip in einem Raum im Keller unserer Schule treffen.
Unter uns »Männern« wurden natürlich viele Sprüche geklopft. Aber an einem Abend hab ich gesagt: Lasst uns mal ernsthaft reden, welche Stärken seht ihr bei den anderen? Daraufhin haben sie sich so aufrichtig und überhaupt nicht schmalzig Dinge gesagt, die es genau getroffen haben, das war wirklich berührend.
Oliver Meyer-Krahmer, Musiklehrer
In einem positiven Sinne anders als in der Schule findet bei den Herausforderungen auch Fachlernen statt. »Auf der Herausforderung hab ich gemerkt: So viel Unterrichtsinhalt könnte ich nie in einer Stunde vorbereiten, wie ich hier so neben bei besprochen habe«, berichtete Mandy Voggenauer, die gemeinsam mit unserer Französischlehrerin Annette Frauendorf die Wanderung auf Korsika begleitet hat. Schon in ihrem Unterricht arbeitet sie fast aus schließlich in Projekten, durch die die Schüler die Inhalte des Rah menlehrplans und mehr lernen. Aber auf Korsika eröffneten sich ganz neue Möglichkeiten, mit Naturwissenschaften ins Leben zu gehen. Die Gruppe wanderte in den Bergen und kam nur ab und zu durch kleine Dörfer. Alles, was die Jugendlichen brauchten, mussten sie im Rucksack mitnehmen. Weil die Flüge einen Großteil des 150-Euro-Budgets aufgebraucht hatten und um Gewicht zu sparen, gab es jeden Tag Müsli mit Pulvermilch und Traubenzucker zum Frühstück und Nudeln mit Tütensuppe zum Abendessen. Alleine das war schon eine Herausforderung. Zum Glück wuchsen überall auf der Insel Brombeeren, die die Kinder immer sammelten. »Einer von den Jungs hat dann in einem Dorf eine Tüte Mehl gekauft und wollte versuchen, Kekse zu backen«, erzählte Mandy Voggenauer später. »Er hat es mit Traubenzucker und Wasser angerührt und aus zwei aufeinandergestellten Blech töpfen und dem Gaskocher einen Backofen gebaut. Das hat gut ge klappt!«
Daraufhin haben sich andere aus der Gruppe überlegt, dass sie ja aus Brombeeren und Zucker Marmelade kochen könnten. Und weil nach dem Essen noch was übrig war, fragten sie die Lehrerin: Können wir das jetzt noch behalten, oder wird das schlecht? »Daraufhin haben wir über Konservierungsstoffe gesprochen, erst über Zucker, später auch Salz und über den osmotischen Druck, mit dem es zusammenhängt, dass ein Bakterium abgetötet wird.« Ein Schüler setzte sich noch dazu und meinte: »Findet hier wieder eine Chemiestunde unter freiem Himmel statt?«
Für Mandy Voggenauer ist »Lernmotivation nicht: Ich habe Interesse an etwas, sondern: Ich finde eine zu meinen Interessen passende Herausforderung und muss mich anstrengen, etwas zu erreichen, das auch schiefgehen könnte. Ich finde es großartig, dass die Schule solche Räume anbietet, die auch meine eigene Motivation enorm steigern.« Dass sie im nächsten Jahr wieder eine Herausforderung begleitet, steht für Mandy Voggenauer schon fest. Am liebsten möchte sie wieder wandern und dann aber versuchen, komplett von der Natur zu leben.
Mittlerweile arbeiten wir daran, Universitäten und Lehrerausbildungsseminare von der Bedeutsamkeit der Herausforderungen für eine zukunftsfähige Lehrerausbildung zu überzeugen, auch um angehende Pädagogen als Begleiter für unser eigenes Projekt Herausforderung immer wieder neu zu gewinnen und um gute Voraussetzungen für die
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