EduAction: Wir machen Schule (German Edition)
nach exakten Vorschriften und Regelungen arbeiten zu müssen, sondern nach ihrem Rhythmus und ihrer Verfassung lernen und entsprechend kreativ sein können. Eine Mutter, die Trapezkünstlerin ist, nimmt ihre beiden Töchter manchmal mit, wenn sie für ihre Engagements mehrere Monate am Stück im Ausland sein muss. Den Stoff können die Mädchen sich dank der Lernbüro-Bausteine auch unterwegs erarbeiten, auch Projektthemen, die Tutorengespräche finden per E-Mail oder Skype statt. »Weil ich meine Kinder immer wieder für eine Zeit aus der Schule nahm, haben mich anfangs viele Eltern gefragt, ob ich nicht Angst hätte, dass sie sitzen bleiben«, erzählte die Künstlerin. Sie sei froh, dass die Schule ganz anders mit dieser Situation umgehe und die Kinder immer bestärke, indem sie zum Beispiel ihre guten Englischkenntnisse hervorhebe, die sie durch die Auslandsaufenthalte erworben haben.
Während es für starke Schüler im klassischen Unterricht nur die Möglichkeit gibt, gleich eine ganze Klasse zu überspringen, können sie an der esbz aufgrund der Jahrgangsmischung auch in einzelnen Fächern Stoff einer höheren Klasse bearbeiten. Clara hatte vor Ende der Klasse 9 bereits alle Bausteine bearbeitet. »Meine Tutorin hat mich damals richtig gut beraten und mir vorgeschlagen, doch ins Ausland zu gehen«, erzählt sie. Clara entschied sich für Neuseeland, wo sie ein halbes Jahr bei einer Gastfamilie lebte und zur Schule ging. Für ihren auf Englisch gehaltenen Vortrag über ihre Erfahrungen in Neuseeland bekam Clara viel Beifall von der Schul versammlung.
Im Kollegium sprechen wir nicht mehr vom Unterrichten, sondern vom Lernen.
Caroline Treier, pädagogische Leiterin
Zur Binnendifferenzierung hat die esbz jetzt ein sogenanntes Lernpfadprinzip entwickelt, das es den Schülern ermöglicht, auf unterschiedlichen Wegen durch einen Baustein zu kommen. Es gibt einen Basisweg, den alle gehen. Die Schwächeren können zusätzliche Übungen machen, um sich ein Thema anzueignen, das sie nach zwei Aufgaben vielleicht noch nicht verstanden haben. Und die Stärkeren können über den Drei-Sterne-Lernpfad weitere Themenbereiche oder Aufgaben bearbeiten. »In Geschichte zum Beispiel könnte ein starker Schüler sagen, beim Thema Kolonialzeit interessiert mich Namibia besonders«, erklärt unsere Deutsch- und Geschichtslehrerin Jenni Leonhard. »Dann prüfen wir zusammen, was kann er machen, welches Material kann er benutzen, was genau muss er mir als Lehrer nachweisen, um seine Leistung zertifiziert zu bekommen.« Die Lernpfade sind so angelegt, dass die Schüler genau sehen, welche Schritte ihre nächsten sind, beispielsweise wann sie ihr Heft beim Tutor abgeben sollten, um ein Feedback zu bekommen. Außerdem gibt es seit diesem Schuljahr freie Bausteine, die den Schülern zusätzlichen Freiraum geben und den Tutoren die Möglichkeit, dafür weitere Zertifikate zu vergeben. Das kann ein aktueller Film sein, den ein Schüler sich in der Freizeit auf Englisch anschaut und zu dem er anschließend ein Paper verfasst. Weitere Englisch-Credits kann man sich übrigens in Werkstätten wie dem English Conversation Club holen, durch Projektpräsentationen in englischer Sprache oder in den English Day Camps, die wir in den Sommerferien gemeinsam mit Studierenden aus den USA anbieten. Rund 70 Schüler der esbz nehmen in jedem Jahr daran teil, machen eine Woche lang mit Muttersprachlern Sport und Kreativworkshops – und so manches Kind erzählt uns nachher erleichtert, es habe endlich »seinen Horror vor Englisch« verloren.
Auch für Projekte wie Lehrerfortbildung oder die Teilnahme am Kirchentag können die Jugendlichen anrechenbare Credits erhalten. Für Schüler mit besonderem Förderbedarf, mit LRS, Diskalkulie oder auch mit einer Schwäche in einem bestimmten Fach haben wir das sogenannte Lernbüro Plus eingerichtet, in dem es besondere Materialien gibt und eine Sonderpädagogin die Kinder unterstützt.
Gibt es im Lernbüro nur individualisierte Einzelarbeit?
Diese Frage wird uns ebenfalls regelmäßig gestellt. Im Lernbüro dürfen Schüler zu zweit oder in Teams zusammenarbeiten, für manche Bausteine ist Gruppenarbeit sogar vorgeschrieben, zum Beispiel bei Sprachübungen in Englisch. Naturgemäß arbeiten zunächst häufig befreundete Kinder zusammen, nicht wenige davon stellen aber im Laufe der Zeit oft fest, dass sie unterschiedliche Stärken haben. »Auf diese Weise lernen sie, dass ein Freund nicht zwangsläufig ein
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