Effington 06 - Verborgene Verheissung
zukünftige Frau in diesem Zustand ohne Begleitung nach Hause fahren lassen.«
»Ich bin in keinem Zustand, Marcus. Ich habe keine Ahnung, warum meine Beine mich nicht mehr tragen«, sagte sie hochmütig.
»Wie auch immer.« Er musste wider Willen schmunzeln. »Betrachten Sie das als eine meiner Bedingungen.«
»Sie sind außergewöhnlich galant«, stieß sie hervor. »Es wird sehr schwierig werden, Sie nicht zu mögen.«
»Warum wollen Sie mich nicht mögen?« Seine Frage kam zu spät. Sie war schon an seiner Brust eingeschlafen.
Seltsam, dass sie so etwas sagte. Andererseits: Was von all dem, was zwischen ihnen beiden geschehen war, war denn nicht ein wenig seltsam? Vielleicht war sie in der Liebe genauso vorsichtig wie er selbst. Die Frage war nur, warum.
Marcus hatte bei Reggie zu oft miterlebt, wie er sich das Herz brechen ließ. Auch selbst war er dieser Empfindung schon nahe genug gekommen, um einen Vorgeschmack auf den Schmerz zu spüren. Hatte Gwendolyn eine ähnliche Erfahrung gemacht? Mit dem Mann, der einst um ihre Hand anhielt? Hatte sie mit ihm die Liebe erlebt und war dann enttäuscht worden?
Oder schlimmer noch — er knirschte bei dem Gedanken mit den Zähnen — liebte sie ihn noch immer?
Sechstes Kapitel
Selbst wenn wir uns für einen Mann aus den richtigen Gründen entscheiden — wegen seines Vermögens, seines Titels, seiner Macht — werden wir ihn doch immer aus den falschen Gründen liehen.
Francesca Freneau
»Es klingt so ... beschwerlich und peinlich«, murmelte Gwen. »Und überhaupt nicht verlockend.«
Sie lehnte sich behutsam zurück in ihr Kissen und benetzte die Augen mit einem feuchten Tuch. Jegliches Geräusch, selbst das ihrer eigenen Stimme, hallte schmerzhaft in ihrem Kopf wider. Es war schon Mittag, und sie hatte noch nicht die Kraft gefunden, sich aus dem Bett zu erheben. Ja, Gwen dachte ernsthaft darüber nach, ob es nicht besser wäre, einfach zu sterben.
»Mein liebes Kind, es ist sogar sehr verlockend.« Colette saß am Fußende des Bettes. »Und es macht sehr viel Spaß.«
Madame Freneau — Francesca — saß auf einem Stuhl am Bett. Die Frauen waren nachsichtig, was die unangenehmen Nebeneffekte des Brandys betraf. Doch sie bestanden in Vertretung von Gwens Mutter darauf, sie über die ehelichen Pflichten aufzuklären. Sowie über das Vergnügen, das eine Frau daraus ziehen konnte. Es war schwer zu glauben.
»Spaß?« Gwen schauderte. Die Details des ehelichen Schlafgemachs waren ihr zwar nicht völlig neu. Die
Mädchen in Madame Chaussans Internat hatten solche Angelegenheiten spätnachts unter großem Gekicher besprochen. Aber dennoch. »Ich kann mir darunter nichts Spaßiges vorstellen.«
»Mit dem richtigen Mann kann es wundervoll sein.« Madame lächelte, und Gwen fragte sich, ob sie wohl an ihren verstorbenen Mann dachte.
Madame war erst wenige Jahre verheiratet gewesen,
als ihr Mann auf See ertrank. Damals war sie noch
keine zwanzig. Um zu überleben, war sie Lehrerin an Madame Chaussans Akademie geworden und hatte sich wie eine Mutter um die jungen Mädchen gekümmert. Aus irgendeinem Grund hatte sie Gwen immer ganz besonders in ihr Herz geschlossen.
»Ich bin überzeugt, dass Lord Pennington in diesen Dingen große Erfahrung hat«, erklärte Madame sanft. »Zumindest war das Colettes Eindruck.«
Gwen ächzte. »Er ist also gefährlich?«
Sie hörte das Lächeln in Madames Stimme. »Nur, wenn er dich weiterhin mit Brandy abfüllt.«
»Er hat mich nicht abgefüllt. Ich habe mich selbst abgefüllt.«
Wie hatte sie so dumm sein können? Sie hatte doch in ihren Anstellungen beobachten können, was zu viel Alkohol anrichtete. Wie konnte sie sich so unschicklich benehmen? Und so viel von sich preisgeben? Sie konnte sich an jedes einzelne furchtbare Wort erinnern. Tatsächlich bereute sie beinahe am meisten, gestern Abend nicht genug getrunken zu haben, um zu vergessen, was genau sie erzählt hatte. »Wie kann ich ihm jemals wieder gegenübertreten? Sicherlich denkt er, ich bin eine ewig betrunkene, unfähige Gouvernante.«
Colette lachte. »Unsinn, Gwendolyn. Ich bin sicher, dass er nichts dergleichen denkt.«
»Du hast mich nicht erlebt. Ich war ...« Sie wagte kaum, an den Abend zu denken, geschweige denn davon zu sprechen. »Ich war abwechselnd unhöflich zu ihm und grauenvoll aufdringlich. Ich habe ihn gebeten, mich zu küssen.« Sie vergrub das Gesicht in den Händen. »Er hält mich wahrscheinlich nicht nur für eine ewig
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