Effington 06 - Verborgene Verheissung
derselbe Mann, der dir nach deines Vaters Tod mitteilte, du seist mittellos. Richtig?«
Gwen nickte. »Ja.«
»Und seine Information war damals falsch. Auch richtig?«
»Ja, aber ...«
»Doch selbst, wenn seine vagen Andeutungen sich als wahr erweisen sollten, dann bliebe immer noch ausreichend Zeit, sich eine Strategie zu überlegen. Wegzulaufen ist doch keine Lösung, ich möchte das nicht noch einmal mit ansehen. Falls es erforderlich werden sollte, finden wir sicher eine passendere Lösung.« Madame deutete mit dem Kopf auf das Sofa neben ihrem Sessel. »Und jetzt setz dich hin, Gwendolyn, du machst mich ganz schwindlig.«
Gwen sank auf das Sofa. »Ich darf sie nicht verlieren, Francesca. Sie sind meine Familie. Ich bin alles, was sie haben. Und sie sind alles, was ich habe.«
Madame sah sie tadelnd an. »Und was ist mit deinem Ehemann? Ist er jetzt nicht auch Familie für dich?«
»Natürlich.« Gwen pickte ein loses Fädchen aus der Sofalehne und mied Madames Blick. »Aber Marcus ist... na ja ...«
»Ehrbar und intelligent. Und ich vermute, er hat ein gutes Herz.« Madame betrachtete sie lange. »Wann willst du ihm von den Mädchen erzählen?«
»Bald«, gab Gwen ausweichend zurück.
»Und was genau heißt bald in diesem Zusammenhang, bitte schön?«
»Ich weiß nicht.« Gwen stand auf, warf einen kurzen Blick auf Madames gerunzelte Stirn und setzte sich prompt wieder hin. »Ich weiß nicht.«
»Mein liebes Mädchen, ich verstehe ja deine Befürchtungen. Sie sind sehr nachvollziehbar. Die Männer in deinem Leben, angefangen bei deinem Vater, haben sich nicht als besonders vertrauenswürdig erwiesen.«
»Wenn Marcus nicht besser ist?« Gwen sprach es nur ungern laut aus, aber es musste gesagt werden. »Wenn die Freundlichkeit und Rücksichtnahme, die er mir gegenüber zeigt, nicht auch meine Nichten einschließt? Was wenn ...«
»Wenn das Wörtchen wenn nicht wär.« Madame rollte mit den Augen. »Gwendolyn, mir ist klar, dass es dir nicht leicht fällt zu vertrauen, aber du bist doch eine intelligente Frau. Der Mann, den du geheiratet hast, hat dir keinerlei Grund für so viel Misstrauen gegeben.«
»Ich glaube nicht, dass er Töchter möchte«, murmelte Gwen.
»Das ist nicht besonders erstaunlich, die meisten Männer möchten das nicht. Hat er tatsächlich gesagt, dass er keine Töchter möchte?«
»Nicht mit genau diesen Worten. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, könnte es möglicherweise auch sein, dass ich mehr in seine Bemerkung hineingelesen habe als gerechtfertigt.«
»Du bist jetzt seine Frau, du könntest ihn einfach fragen.«
»Das wäre das Klügste. Aber offenbar bin ich doch nicht so intelligent, wie du denkst.«
Gwen faltete die Hände im Schoß und sah darauf hinab. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn er sie nicht will. Ich werde ihnen nicht zumuten, an einem Ort zu leben, wo sie nicht erwünscht sind. Und ich würde«, erstickt presste sie die Worte hervor, »ihn eher verlassen, als sie aufzugeben.«
»Wenn du also vor die Wahl gestellt würdest«, fragte Madame sanft, »würdest du dich für sie entscheiden statt für Marcus?«
Gwen schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. »Es ginge nicht anders.«
Madame sah sie lange schweigend an. »Du liebst ihn, oder?«
»Nein«, antwortete Gwen ohne Nachzudenken, dann seufzte sie. »Ich weiß es nicht. Zumindest hatte ich mir das eingebildet, bis ich über ein Leben ohne ihn nachdachte. Und nun weiß ich nicht mehr, was ich fühle. Ich glaubte, ich würde nur Lust für ihn empfinden.«
»Aber?«
»Er gibt mir das Gefühl, vollkommen einzigartig und etwas ganz Besonderes zu sein. Als wäre ich für ihn der wichtigste Mensch auf der Welt.«
»Wenn ihr im Bett seid?«
»Nein.« Gwen grübelte. »Naja, dann natürlich auch, aber auch im täglichen Leben. Eigentlich immer. Er sieht mich an, als sei ich bemerkenswert. Als sei er der glücklichste Mann auf der Welt. Und ich bin ebenso glücklich. Vielleicht noch mehr. Und, Madame ...« Gwen beugte sich etwas vor. »Wenn sich unsere Blicke treffen, über den Tisch hinweg oder quer durch einen riesigen Raum, dann spüre ich eine seltsame Wärme, als hätte er mich tatsächlich berührt. Und dann lächelt er sein trockenes, spitzbübisches, charmantes Lächeln, Und ich weiß, es gilt nur mir. Ein Geheimnis, das nur wir beide kennen.« Gwen schüttelte den Kopf und setzte sich wieder zurück. Ein weiches Lächeln überzog ihr Gesicht. »Es ist ganz erstaunlich.«
»O ja, das ist
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