Effington 06 - Verborgene Verheissung
es.«
Gwen dachte darüber nach, was sie nun endlich ausgesprochen hatte. Bis zu diesem Moment war ihr nicht bewusst gewesen, wie wichtig Marcus in ihrem Leben geworden war. Selbst für sie klang das jetzt nach Liebe.
Aber das war es nicht. Möglicherweise war es mehr als nur Lust, doch es war keine Liebe. Sie würde es einfach nicht zulassen.
Sie sah Madame in die Augen. »Ich werde alles tun, um meine Familie bei mir zu behalten. Diese Mädchen werden nicht so aufwachsen wie ich. Und niemand wird sie mir wegnehmen.«
»Wir würden ohnehin nicht weggehen.« Charitys Stimme erklang aus der Tür.
Madame runzelte die Stirn. »Habt ihr wieder heimlich gelauscht?«
»Aus Versehen.« Hope trat in den Raum, ihre Schwestern dicht auf den Fersen. »Wir wollten nicht mithören. Es ist einfach so passiert.«
»Du«, Patience deutete vorwurfsvoll mit dem Finger auf Gwen, »hast besonders laut gesprochen.«
»Habe ich das?«, fragte Gwen. »Das habe ich gar nicht bemerkt. Ich dachte sogar, ich wäre ziemlich leise.«
»Überhaupt nicht.« Hope schüttelte den Kopf. »Wir mussten uns fast nicht anstrengen, um jedes Wort zu verstehen.«
Gwen zog eine Braue hoch. »Jedes Wort?«
»Nicht jedes Wort«, beeilte sich Charity zu sagen. »Nur den letzten Teil, dass du nicht zulassen wirst, dass man uns dir wegnimmt.«
»Und dass Lord Pennington dir Herzklopfen bereitet.« Patience klimperte mit den Wimpern und rang die Hände.
Gwen war empört. »Ich habe nichts Dergleichen gesagt.«
»Es klang aber so.« Hope ließ sich sehr undamenhaft zu Gwens Füßen sinken.
»So war es aber nicht«, entgegnete Gwen trotzig.
»Warum magst du ihn denn nicht?« Charity ließ sich neben Gwen nieder und betrachtete sie. »Du hast ihn doch geheiratet.«
»Der Grund für diese Ehe ist hier nicht von Bedeutung. Und außerdem mag ich ihn doch.«
»Er lächelt dich heimlich an.« Patience seufzte aus tiefstem Herzen. »Und wenn sich eure Blicke treffen ...«
»Das reicht jetzt«, unterbrach Madame streng.
Patience grinste und setzte sich neben ihre jüngere Schwester auf den Fußboden.
»Warum glaubst du, dass er uns nicht will?«, wollte Charity plötzlich wissen. »Liegt es daran, dass wir Mädchen sind? Gurkengesicht sagte, die meisten Männer wünschen sich lieber Söhne statt Töchter.«
»Ich weiß ja gar nicht, ob er euch nicht will«, begann Gwen vorsichtig.
»Warum hast du ihm dann nicht von uns erzählt?«, fragte Patience. Erstaunlich, wie Kinder immer genau auf den Punkt kommen.
Drei Augenpaare sahen sie an, jedes fragend, jedes herausfordernd.
»Ich habe ihm nichts erzählt, weil ich ...«, Gwen holte tief Luft, »weil ich Angst habe, auch wenn ich es nicht gerne zugebe.«
»Du?«, kicherte Charity. »Ich hätte nicht gedacht, dass du vor etwas Angst hast.«
Hope sah sie misstrauisch an. »Du siehst nicht gerade ängstlich aus.«
»Und er sah nicht beängstigend aus.« Patience schüttelte den Kopf.
»Er kann sehr entschieden sein«, murmelte Gwen.
Marcus konnte außerdem überaus distanziert und kühl sein. Sie glaubte, sein wahres Ich zu erkennen, wenn sie beide allein waren und er offen und ehrlich war. Sie vermutete, oder hoffte, dass seine kontrollierte, gefühlskalte Fassade nicht seinem wahren Ich entsprach.
Dennoch kannte sie ihn noch nicht gut genug und hatte nicht genug Vertrauen in ihre eigene Menschenkenntnis, um ihre Bedenken völlig zu verbannen, wie sehr sie sich das auch wünschte. Sie könnte sich auch völlig getäuscht haben. Madame hatte zu Geduld geraten; das galt auch für die Frage, wann sie ihm von den Mädchen erzählen würde.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke, und sie beobachtete Charity eingehend. »Wollt ihr denn bei mir bleiben?«
»Ja.« Hope nickte heftig. »Du bist nicht annähernd so schlimm, wie wir zuerst dachten.«
»Wir kannten dich ja noch nicht«, warf Patience schnell ein. »Jetzt halten wir es durchaus für möglich, dass wir dich mögen könnten.«
Madame beugte sich über ihre Stickerei, um ihr amüsiertes Gesicht zu verbergen.
»Wir haben uns an dich gewöhnt.« Hope dachte kurz nach. »Ungefähr wie bei einer Warze. Ich hatte mal eine Warze und sie ...«
»Das ist ekelhaft«, schaltete Patience sich ein.
»Und was meinst du?« Gwen wandte sich an Charity.
»Ich finde Warzen auch ekelhaft.« Charity grinste frech, dann zuckte sie die Achseln. »Ich finde dich besser, als sich heimlich auf einem Schiff davonzumachen und ins Meer geworfen zu werden oder bei den armen
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