Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
Vom Netzwerk:
Übersetzungen der biblischen Schriften? Kann das heutige Wissen ein neues Licht auf das Verständnis und die Deutung der alten Schriften werfen? Wirken sich neuere Funde wie die Qumranrollen auf das Verständnis zuvor gefundener Bibeltexte aus? «
    » Du fragst und fragst «, sage ich.
    » Und ich suche neue Antworten. Beim Übersetzen von Texten, die mehrere tausend Jahre alt sind, geht es genauso um ein neues Verständnis und aktuelles Wissen wie um die sprachlichen Fähigkeiten. «
    » Und vielleicht um Glauben? «
    » In ganz hohem Maß um Glauben. «
    » Was, wenn ihr Material findet, das euren Glauben ins Wanken bringen kann? «
    Er sieht mir in die Augen. In dem Licht, das durch die Gardine fällt, sehe ich, wie trüb das Weiß in seinem Augapfel ist.
    » Warum glaubst du, dass wir so viele Geheimnisse haben? «, fragt er eindringlich.
    Ich richte mich auf in dem nutzlosen Versuch, in eine etwas höhere Sitzposition zu kommen.
    » Lass mich dir ein Beispiel geben «, sagt Peter. » Hat Mose s d as Rote Meer mit Gottes Hilfe geteilt, sodass die flüchtenden Israeliten in Sicherheit gelangten, während das Heer des Pharaos im zurückwogenden Wasser ertrank? « Er stemmt die Ellenbogen auf die Tischplatte, faltet die Hände und legt sein Kinn auf die Daumen. » Das Institut hat viele Jahre darauf verwendet, den Mythos von Moses und dem geteilten Meer zu untersuchen. Unsere Linguisten haben einen möglichen Fehler in der Übersetzung entdeckt beziehungsweise eine Fehldeutung des hebräischen Ausdrucks › Jam suph ‹. Womit ein Ort beschrieben wird, der so flach ist, dass dort Schilf wächst. › Jam suph ‹«, wiederholt er lang gezogen.
    Ich versuche, die Wörter auszusprechen, doch es hört sich falsch an.
    Peter zieht einen historischen Atlas aus einem Regal und schlägt nach unter S –Sinai. » Im Altertum erstreckte sich der Golf von Sues viel weiter nach Norden «, er hält das Buch hoch und zeigt auf die Karte, » und die ganze Gegend war flach und von Röhricht und Schilf bewachsen. Unsere Forscher –ein interdisziplinäres Team von Linguisten, Historikern, Geografen und Meteorologen –haben sich diesem sprachlichen Detail gewidmet. Sie fanden heraus, dass die Israeliten das Meer an einem Ort überquert haben könnten, den wir heute als › Bardawil-See ‹ bezeichnen. «
    Peter drückt den Zeigefinger hart aufs Papier. Ich blinzle, während ich versuche, mich in der Geografie zurechtzufinden.
    » Wir haben ein paar Simulationen auf unserem Rechner laufen lassen «, sagt er. » Hier sind die Grundverhältnisse so, dass bei starkem, lang anhaltendem Wind das bis zu vier Meter tiefe Wasser weggedrückt werden kann. « Mit der Fingerkuppe auf der Karte fegt er quasi das Wasser beiseite. » Somit konnte Moses das fast trockene Meer durchqueren. Aber … «, er hebt den Zeigefinger, » als der Wind abebbte oder drehte , mussten die Wassermassen zurückschwappen. « Klatschend schlägt er die flache Hand auf den Atlas.
    » Wo w « , platzte ich heraus. Das klingt nicht gerade wissenschaftlich. Aber es ist alles, was ich in diesem Moment sagen kann.
    Zufrieden lehnt er sich zurück. » Oder die Sintflut? Was ist eigentlich geschehen? Unsere Archäologen, Paläontologen und Geologen haben Beweise dafür gefunden, dass ein sesshaftes Volk, das an der Küste des Schwarzen Meeres Ackerbau betrieb, vor etwas mehr als siebentausend Jahren durch eine Überschwemmung vertrieben wurde. «
    » Ich dachte, die Sintflut hätte die Region zwischen Euphrat und Tigris getroffen? «
    » Tja. Eine Annahme unter vielen. Alles basiert auf Annahmen. Hypothesen. Aber indem wir alte Quellen studierten, konnten wir rekonstruieren, was dort damals passierte. «
    » Was für Quellen? «
    » Oh, verschiedene. Die Bibel. Die viertausend Jahre alten Keilschrifttafeln, das Gilgamesch-Epos, die indische Schriftensammlung Rigveda. Und andere, weniger bekannte Überlieferungen. «
    » Und was habt ihr herausgefunden? «
    » Lass uns bei den Geologen anfangen. Sie haben in siebentausend Jahre alten Sedimenten des Schwarzen Meeres Reste von Salzwassertieren gefunden. Diese Sedimentation ist sehr schnell erfolgt. Wie unter einer Flutwelle. Du musst bedenken, dass das Schwarze Meer ursprünglich ein Süßwassersee war, ein Binnenmeer, das durch die Landzunge am Bosporus vom Mittelmeer getrennt war. Und dann stell dir vor, wie sich das Mittelmeer Stück für Stück, mit zunehmender Intensität, durch diese Landenge gefressen hat, bis sie

Weitere Kostenlose Bücher