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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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einem leisen Lachen an die Schulter. Ich wage mich noch einmal an den Tee und muss mich beherrschen, um keine Grimasse zu schneiden. Irgendwo in der Bar beginnt wieder der Pianist zu spielen. Ich habe nicht bemerkt, dass er aufgehört hat. Ein Kellner taucht aus dem Nichts mit einem neuen Cognac für Peter auf.
    » Sie brennen wohl darauf, mir von den Essenern zu erzählen? «, frage ich.
    » Das ist wirklich interessant! «
    Peter hebt seinen Cognac an. Wir prosten uns zu.
    Er stellt das Glas hin und räuspert sich: » Der Glaube der Essener oder Nazarener, wie sie auch genannt wurden, war von der babylonischen Religion geprägt. Sie glaubten, die Seele bestünde aus Lichtpartikeln von einer Lichtgestalt, die von bösen Mächten zerstört worden war. Diese Lichtpartikel wurden im menschlichen Körper gefangen gehalten, bis der Wirt starb. Dann konnten sich die Lichtpartikel wieder mit der Lichtgestalt vereinen. «
    » Peter «, ich suche nach den richtigen Worten, » warum erzählen Sie mir das? «
    » Ich dachte, es würde Sie interessieren. «
    » Das tut es auch. Sobald ich weiß, was Sie mir zu erklären versuchen. «
    Er beugt sich vor und legt seine braun gebrannte Hand auf die meine. Er will mir etwas sagen. Aber irgendetwas hält ihn zurück.
    » Morgen werde ich alles vergessen haben «, sage ich.
    Er nickt. Wir lachen.
    Dann sagt er: » Vielleicht ist das auch egal. Ich rede zu viel. «
    » Wenn Sie mir den Zusammenhang erklären, finde ich das sicher sehr spannend. «
    » Natürlich ist das spannend! « Mein vorsichtiges Lob treibt ihn an: » Der Punkt ist, dass der Einfluss der Essener auf das ursprüngliche Christentum viel größer ist als angenommen. «
    » Ich dachte, die hätten überhaupt keinen Einfluss gehabt. «
    Er senkt seine Stimme, als wolle er mir ein Geheimnis verraten. » Es gibt viele, die glauben, dass Teile des Neuen Testaments ein verzerrtes, idealisiertes Bild der Fundamente des christlichen Glaubens darstellen. «
    » Nun …? « Ich zögere und tue so, als spiele ich mit. » Das ist jetzt ja schon eine ganze Weile her, vielleicht ist das dann gar nicht so schlimm. «
    » Trotzdem leben wir noch immer im Bund mit dem Geist der Bibel! «
    » Weil viele glauben, das sei das Wort Gottes «, sage ich.
    » Und weil die Bibel das inspirierendste Buch ist, das jemals geschrieben worden ist. «
    » Und das schönste. «
    » Eine Anleitung für Leben und Tod. Für Moral und Nächstenliebe. Ein ABC für die Würde des Menschen. «
    » Große Worte … «
    » Ein großes Buch «, sagt Peter andächtig.
    Beide starren wir vor uns hin. Die versteckten Spots in der Decke werfen Strahlen aus Silber durch den Zigarettenqualm. Die Stimmen, das Gelächter, die Musik –das Ganze bildet eine Wand aus Lauten, die uns nicht richtig erreicht. Peter drückt den Zigarillo im Aschenbecher aus und sieht mich an.
    » Aber ist die Bibel wirklich das Wort Gottes? «, fragt er überraschend laut.
    » Fragen Sie mich nicht. «
    » Gott hat nicht eine Zeile geschrieben! Die siebenundzwanzig Schriften des Neuen Testaments wurden in einem langwierigen, schmerzhaften Prozess ausgewählt. «
    » Durch göttliches Zutun? «
    » Ich meine, unter den schönsten, heftigsten Streitereien. «
    Ich lache, reiße mich aber zusammen, als ich erkenne, dass er das nicht als Spaß meint.
    Er führt den Cognac an die Lippen, atmet ein und trinkt. Dann schließt er einen Moment lang die Augen, ehe er das Glas wieder vorsichtig auf den Tisch stellt.
    » Es war ja nicht so «, sagt er, » dass sich irgendwann eine Gruppe heiliger Verfasser hingesetzt hätte, um ein für alle Mal die Bibel zu schreiben. Die Kirche hatte durch die Jahrhunderte hindurch viele Manuskripte zu beurteilen. Einige wurden angenommen, andere verworfen. Es ist wichtig zu wissen, dass die Kanonisierung des Neuen Testaments zeitgleich mit und als Teil eines Machtkampfes erfolgte, der innerhalb der Kirche und außerhalb in dem geschwächten römischen Reich stattfand. «
    » Machtkampf, das klingt kalt. «
    » Aber denken Sie daran, dass die Kirche ein unermüdlicher Mitstreiter um die kulturelle, politische und ökonomische Macht in dem Vakuum war, das das römische Imperium hinterließ. « Peter sieht sich um, halb lächelnd. » Wäre der Niedergang des römischen Reiches nicht einhergegangen mit de r S paltung der Juden und dem Heranwachsen einer neuen Religion, sähe die Welt heute anders aus. «
    » Darüber habe ich nie nachgedacht «, räume ich ein. »

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