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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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gefragt wurde, ob sie nicht nach dem Krieg noch einmal im Tivoli aufgetreten sei. Und damit meinten sie den Ersten Weltkrieg.
    In der Nachttischschublade in ihrem Schlafzimmer verwahrte Großmutter ein Programmheft von einer Revuevorstellung aus dem Jahre 1923. Eine ovale Fotografie von ihr war auf dem Deckblatt. Sie war nicht wiederzuerkennen. Wie ein Stummfilmstar strahlte sie mir von dem gelbbraunen Papier entgegen. Unter dem Bild stand ihr Mädchenname: Charlotte Wickborg. Wenn ich mit den Fingern alles außer ihren Augen abdeckte, konnte ich sehen, dass sie es war. In einer anderen Zeit.
    Über Großvater weiß ich nicht viel. Er hatte etwas Verschrobenes, Seltsames. Er war dürr und trug immer zu weite Hosen und Hosenträger, die seine Beinkleider immer bis fast zur Brust hochzogen. Sein Atem roch nach Kampferpastillen und Schnupftabak, unterlegt mit einem strengen Dunst von Eau de Vie, das er direkt aus den Flaschen trank, die er an allen möglichen Orten verbarg, von denen er annahm, dass wir sie nicht kannten. Lebensnotwendige Deponien im Leben meines Großvaters.
    ∗ ∗ ∗
    I ch weiß nicht, wann ich schließlich einschlief, aber der Tag ist schon weit fortgeschritten, als ich mich schließlich wieder durch die zähe Membran des Schlafes kämpfe.
    5
    SEINE AUGEN SIND WARM. In seinem Blick wohnt ein mildes Verständnis. Seine Pupillen sind ebenso dunkel wie ein Waldsee. In sie zu blicken, ist wie in das Wasser zu gehen und sich dem langsamen Tod durch Ertrinken zu ergeben. Als wünsche man sich im Leben nichts anderes, als sich in diesen Augen zu verlieren und ihm, der einem seine Gunst erweist, indem er einen seinen Blick erwidern lässt, einen Gefallen zu tun.
    Ich habe geschlafen. Und bin aufgewacht. Und habe seinen Blick erwidert. Wenn auch ein Teil von mir noch in der verrückten Welt der Träume hängt.
    Michael MacMullin sagt: » Damit wären wir also wieder zu zweit. «
    Mit verschränkten Armen steht er an meinem Bett und sieht mich mit einem Blick an, der etwas ausstrahlt, das ich nur als Wärme bezeichnen kann. Ich versuche, richtig wach z u w erden, zu mir zu kommen, nach dem Schlaf endlich wieder ich selbst zu sein.
    » Sie haben bestimmt wieder einen ganzen Korb voller Überraschungen mitgebracht «, sage ich.
    » Sie sind ein harter Brocken, Mr. Beltø! «
    Irgendwo in mir zieht sich etwas zusammen.
    Dann proklamiert er feierlich: » Ich bin gekommen, weil ich mit Ihnen sprechen will. «
    Draußen ist es Abend. Oder Nacht. Das Fenster ist dunkel. Eine derart schwarze Fläche, dass man die Dunkelheit auch mit Farbe aufgemalt haben könnte. Ich weiß noch immer nicht, wo ich bin. Ob ich mich im Krankenzimmer des Instituts befinde oder in einem Hospital in einer Stadt.
    » Über was wollen Sie reden? «, frage ich.
    MacMullin dreht sich um und tritt langsam ans Fenster. Sein Gesicht spiegelt sich. Im Glas verschwinden die Falten, die Züge verwischen, werden weicher, und er sieht aus wie ein junger Mann.
    » Haben Sie jemals «, fragt er, » ein derart wichtiges Geheimnis bewahrt, dass Sie dafür gestorben wären? «
    Ich denke an Papa. An Mama und den Professor. An Grethe.
    Er hat mir noch immer den Rücken zugewandt und spricht mit seinem Spiegelbild. » Ich habe mein Schicksal geerbt «, sagt er.
    Das muss eine gewaltige Bürde sein, denke ich, vielleicht bist du deshalb mit den Jahren so pompös geworden.
    » Mein Vater hat das Geheimnis wie alle seine Vorfahren um den Preis seines Lebens bewahrt. « Er dreht sich mit entwaffnender Miene zu mir um: » Verzeihen Sie mir, wenn ich melodramatisch klinge. Aber das Ganze ist nicht leicht für mich. «
    » Wenn es Ihnen ein Trost ist, kann ich Ihnen versichern, dass es auch für mich nicht leicht gewesen ist. «
    Mit einem Lächeln setzt er sich schwer auf den Stuhl neben meinem Bett.
    » Wie viel haben Sie bereits erraten? «, fragt er.
    » Eigentlich nichts. «
    » Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie mit Peter gesprochen? «
    Ich schweige.
    » Das ist in Ordnung «, sagt er schnell. » Er hat nichts Falsches getan. «
    » Was befindet sich in dem Schrein? «
    Sein Mund ist ein dünner Strich. Seine Augen strahlen etwas Tiefes, Unergründliches aus.
    » Ich glaube noch immer, dass es sich um Q handelt «, sage ich.
    » Glauben Sie, was Sie wollen. Lassen Sie mich ein paar Aspekte vertiefen, die Peter unzweifelhaft angesprochen hat. Die Ursache für die Spaltung der Johanniter 1192 war ein Streit über ein Reliquiar, das später

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