Egeland, Tom
dümmer. Ein passenderes Paar, wenn Sie mich fragen. «
» Und Sie? Sind Sie verheiratet? «
» Ich? « Sie johlt auf. Und zieht in der Stille der Bibliothek damit die Blicke all der anderen auf sich. Rasch schlägt sie die Hand vor den Mund und ermahnt sich selbst, leise zu sein.
» Verheiratet? Ich? «, flüstert sie. » Ich bin dreiundzwanzig. «
Als wäre das eine Erklärung.
Hätte es Lucy nicht gegeben, hätte ich mindestens einen Tag gebraucht, um überhaupt Zugang zur Bibliothek und den Manuskripten zu bekommen. Lucy verschaffte mir ohne weiteres einen Reader ’ s Pass und einen Manuscript Pass. Ich bin fotografiert worden, habe meinen norwegischen Ausweis vorgezeigt und ein zweiseitiges Formular ausgefüllt. Ich habe einen Haufen Daten in das große, linierte Notizbuch übertragen, weiß aber nicht, ob das von Bedeutung ist. Große Teile vom Archiv des Klosters Værne –Domus hospitalis sancti Johannis in Varno, wie es in den lateinischen Quellen heißt –waren noch 1622 intakt. Der älteste der päpstlichen Privilegienbriefe, unterzeichnet von Papst Innozenz III. , wurde 1198 ausgestellt für die giffuett munckenne ij Werne closter. Zu dieser Zeit hatte der Papst König Sverre mit einem Bann belegt. Demnach musste das Kloster älter sein und mindestens seit 1194 bestehen. Vermutlich aber eher seit 1188 –unmittelbar nachdem die Johanniter ihren Sitz in Jerusalem aufgeben mussten und nach Akkon zogen. Papst Clemens III. (der nie als Papst anerkannt wurde) schrieb damals einen Brief an das Ordenshaupt der Johanniter. In der Neuzeit hatten die Forscher Schwierigkeiten, diesen Brief zu deuten. Kurz gesagt, handelte es sich um einen Befehl an den Orden, die heilige Weisung zu befolgen und den Heiligenschrein zu bewachen, zu verstecken. Bei diesem Brief handelt es sich um kein zentrales Werk der Religionsgeschichte. Er ist nicht einmal ganz erhalten. Aber auf der Kopie des zerrissenen Dokuments sehe ich, genau in einem Riss, drei Buchstaben. V-A-R. Niemand hat sich bei diesen Buchstaben wohl etwas gedacht. Wie gesagt, es ist nur eines von vielen tausend Dokumenten. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Buchstaben das Wort Varna bilden sollten.
∗ ∗ ∗
I m Laufe des Tages holt Lucy mich in ihr Büro. Ein Telefonhörer liegt auf dem Schreibtisch.
Darin höre ich Dianes Stimme.
Fast flüsternd bittet sie um Entschuldigung für den gestrigen Abend. Ihre Stimme verströmt eine kühle Distanz. Als wisse sie nicht richtig, was sie will oder meint. Es sei nicht ihre Absicht gewesen, mich so plötzlich zu verlassen, aber sie habe sich unwohl gefühlt. Sie hofft, dass ich nicht beleidigt bin.
Sie sagt, vielleicht sei ihr das vegetarische Essen nicht bekommen. Ob ich traurig gewesen sei?
Traurig?, wiederhole ich fröhlich, als verstünde ich sie nicht. Wir waren doch ohnehin auf dem Weg nach Hause, haha.
Sie fragt, ob sie es wieder gutmachen kann. Ob ich sie am Abend treffen wolle? Bei ihr zu Hause?
Warum nicht?, sage ich, ich glaube, ich habe noch nichts vor.
15
ER FäLLT MIR JETZT SCHON eine ganze Weile lang auf. Ein älterer Mann in einem viel zu warmen Kaschmirmantel. Seine Züge sind eine Spur exotisch, als wäre einer seiner entfernte n V orfahren ein orientalischer Prinz gewesen. Seine Haare sind silbergrau und für einen Mann seines Alters überraschend lang. Er muss um die siebzig sein. Groß und schlank. Distinguiert. Seine wachen Augen sind mandelförmig. Er schlendert herum und zieht aufs Geratewohl Bücher und Registrierkarten heraus, wobei er mich aber die ganze Zeit voller Aufmerksamkeit beobachtet. Jetzt nähert er sich langsam dem Tisch, an dem ich sitze.
Ich bin müde. Ich habe den ganzen Tag über den Büchern und Dokumenten gesessen, die mir nicht weiterhelfen. Habe Seite um Seite über die Johanniter gelesen, über religiöse Mythen und Kreuzzüge. Gerade habe ich einen Stapel Dokumente gefunden, die die Geschehnisse in Rennes-le-Château zum Gegenstand haben. Ich habe Schriften über die Weltanschauung mittelalterlicher Mönche gelesen und über die historische Entwicklung der kirchlichen Haltung zu materiellen Gütern und Eigentum. Manchmal frage ich mich selbst, warum ich all das auf mich nehme. Spielt das überhaupt eine Rolle? Kann ich diesen verfluchten Schrein nicht einfach aus den Händen geben? Er gehört mir nicht. Er ist nicht mein Problem. Aber etwas in meiner Natur kämpft dagegen an und will Gründe wissen.
» Mr. Beltø? Mr. Bjørn Beltø? «
Er ist der
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