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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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erste Engländer, dem es gelingt, meinen Namen richtig auszusprechen. Die ø s klingen scharf, nicht so eingehüllt wie sonst. Er muss einmal die präzise Aussprache gelernt haben. Zum Beispiel, weil er Papas Kollege und Freund war.
    Zum Beispiel in Oxford.
    Zum Beispiel 1973.
    Charles DeWitt …
    Endlich habe ich ihn gefunden. Obwohl es eigentlich wohl eher er ist, der mich gefunden hat.
    Ich schließe das seltsame Heft über die Rosenkreuzer-Codes (das aus irgendeinem Grund zwischen den Dokumenten über Rennes-le-Château lag) und blicke zu ihm auf.
    » Das bin ich «, bestätige ich und lege das Heft beiseite.
    Er steht etwas über mich gebeugt da. Eine Hand auf der Trennwand zwischen den Lesetischen. Er wirft einen raschen Blick auf das Heft und sieht dann mich an. Seine Ausstrahlung ist enorm. Er erinnert an einen Aristokraten der alten Zeit –einen Lord aus dem achtzehnten Jahrhundert, der eine Reise in unsere Zeit unternommen hat. Normalerweise wäre ich unter seinem intensiven Blick klein geworden. Doch jetzt begegne ich ihm mit einem diabolischen Grinsen.
    » Mit meinem Äußeren kann man sich nur schwer verstecken. Nicht einmal in London «, sage ich.
    Die nächsten Sekunden kann ich nicht wirklich beschreiben. Eigentlich passiert nichts anderes, als dass er über meinen selbstironischen Spaß lächelt. Aber es fühlt sich so an, als höben uns sein Lächeln und sein Blick aus dem British Museum empor in ein Vakuum, in dem die Zeit stillsteht. Irgendwo hinten in meinem Kopf rasselt das Uhrwerk der alten Standuhr in Großmutters Wohnzimmer im Haus am Fjord, ich höre Mama flüstern: » Kleiner Prinz! Bjørn! «, ich höre Papas Schrei und Grethe, die sagt: » Ich hatte gehofft, du würdest es niemals erfahren « … Worte, Stimmen, Geräusche, verwoben in einem Aufblitzen von Erinnerungen.
    Im gleichen Moment meldet sich wieder die Gegenwart. Ich zucke auf dem Stuhl zusammen. Er scheint nichts bemerkt zu haben.
    » Sie haben nach mir gefragt? «, sagt er.
    Ich denke: Mein Gott, wenn das noch einmal passiert, muss ich Doktor Wang anrufen, wenn ich wieder zu Hause bin.
    » Das habe ich wohl «, murmele ich. Ich bin benommen und verwirrt. Was in aller Welt ist da gerade passiert?
    » Was wollten Sie von mir? «, fragt er.
    » Das wissen Sie wohl. «
    Er legt den Kopf auf die Seite, antwortet aber nicht.
    Ich seufze. » Hier wissen alle mehr, als sie zugeben wollen «, sage ich, » aber alle tun so, als wüssten sie nichts. «
    » So ist das häufig. «
    » Wir haben ein gemeinsames Interesse. «
    » Haben wir das? Interessant. Was für eins? «
    » Ich habe ein paar Fragen. Und ich glaube, Sie können mir darauf einige Antworten geben. «
    » Das kommt natürlich auf die Fragen an. «
    » Und darauf, wer sie stellt. «
    Er richtet sich auf und lässt seinen Blick durch den Lesesaal schweifen. » Wahrhaftig ein faszinierender Ort. Wussten Sie, dass der Nachlass von Sir Hans Sloan 1753 die Grundlage für die Bibliothek des Museums gebildet hat? 50 000 Bände. 1966 wurde ein Katalog über die Sammlung der Bibliothek erstellt. Allein dieser Katalog umfasst hundertdreiundsechzig Bände. «
    » Das hat man mir wohl vergessen zu erzählen «, sage ich mit einem Lächeln.
    » Es tut mir Leid, dass ich Sie habe warten lassen, Mr. Beltø –ich bin gerade erst aus dem Ausland zurückgekommen. Mein Auto steht draußen. Machen Sie mir die Freude, bei mir zu Hause eine Tasse Tee mit mir zu trinken? Dann können wir unsere gemeinsamen Anliegen in etwas privaterem Rahmen besprechen. «
    » Woher wussten Sie, dass ich hier bin? «
    Ein verlegenes Lächeln kräuselt seine Lippen. » Ich bin gut informiert. «
    Das bezweifle ich nicht.
    ∗ ∗ ∗
    E r wohnt in einem vornehmen Viertel mit breiten Aufgängen zum Haupteingang und schmalen Treppen hinunter zum Kücheneingang (hinter schmiedeeisernen Geländern). Ein e L imousine mit getönten Scheiben fuhr vor, als wir aus dem British Museum traten. Zwanzig Minuten brauchte der Chauffeur, den ich hinter der Trennwand erahnen konnte, um sich einen Weg durch das Labyrinth von Seitenstraßen zu bahnen. Ich frage mich, ob er eine solche Strecke fährt, um mich zu verwirren. Deshalb achte ich auf das Straßenschild, als wir anhalten. Sheffield Terrace.
    Jocelyn DeWitts Adresse lautete Protheroe Road.
    DeWitt öffnet die Tür. Zwei Löcher in der Wand und eine dunklere Fläche markieren die Stelle, wo eigentlich das Namensschild hätte sein sollen.
    Es ist ein vornehmes Haus, das in

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