Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
Vom Netzwerk:
beobachtete ich, wie die Wassertropfen von Mamas Körper rannen. Mit ruckartigen Bewegungen, wie auf einer Scheibe, liefen sie über die Haut, bis sie schließlich auf den Felsen tropften. Dort verdampften sie, lang bevor sie den Weg zurück nach Hause fanden.
    ∗ ∗ ∗
    A uch dies ist ein Augenblick:
    Ich fing zwei Fische und war sehr zufrieden mit mir selbst, als ich pfeifend zurück zum Lager marschierte. Die Angel ruhte auf meiner Schulter. Die Fische lagen in einer Plastiktüte und stanken.
    Es war niemand da, als ich zurückkam.
    Ich lehnte die Angel an einen Baum und hängte die Plastiktüte an einen abgebrochenen Zweig, damit kein Wiesel oder Bär die Fische stehlen konnte.
    Dann:
    Mamas Stimme durch die Zeltplane: » Du Dummkopf! «
    Ich zuckte zusammen. Um mich herum war der Wald still. Ich war ein Geist, der unsichtbar und geräuschlos um die Zelte schwebte.
    Ihre Stimme klang nicht so, wie ich sie kannte. Sie hatte etwas Fremdes. Etwas Abstoßendes. Das nicht für meine Ohren bestimmt war.
    Zart, weich, voll klebriger Feuchtigkeit.
    Tiefes, lachendes Murmeln aus einem Schlafsack.
    Ich stand mucksmäuschenstill im Heidekraut. Lauschte.
    Mama (wie ein Seufzen, fast nicht hörbar): » Du bist so gut. «
    Stille.
    Mama: » Du. Jetzt nicht. «
    Neckendes Lachen.
    Mama (verspielt): » Nein. «
    Stille.
    Mama: » Du, die können jeden Moment wiederkommen. «
    Bewegungen.
    Mama (gurrend, winselnd): » Duuuuu! «
    Ein wildes Tier fauchte in der Tiefe des Schlafsacks.
    Mama (kichernd): » Du bist ja vollkommen verrückt! «
    Pause.
    Gurren.
    Stille voller Geräusche. Der Wind in den Bäumen. Das ferne Rauschen des Flusses. Vögel.
    Meine Stimme, dünn, zaghaft: » Mama? «
    Eine lange Weile war es vollkommen still.
    Dann war der Reißverschluss des Zeltes zu hören. Trygv e k rabbelte heraus und sah sich um. Als er mich erblickte, räkelte er sich schlaftrunken und gähnte. » Schon zurück? «
    » Ich habe zwei Fische gefangen. Ist Mama da? «
    » Zwei? Echt? Große? «
    Ich nahm die Plastiktüte vom Baum und zeigte sie ihm.
    » Ist Mama da? «
    » Im Moment nicht. Sollen wir sie ausnehmen? «
    Er nahm meine Hand. Das hatte er noch nie getan. Ich zögerte.
    » Sollten wir sie nicht sauber machen? «, fragte er ungeduldig und zog mich hinter sich her.
    Also machten wir sie sauber. Das war schnell erledigt. Als wir zurückkamen, saß Mama auf dem großen Stein und sonnte sich. Sie lächelte Trygve an, ein wenig bedauernd, verschmitzt. Sie meinte, die Fische sähen lecker aus, und versprach, sie zum Abendessen zu braten.
    ∗ ∗ ∗
    W enn man zurückdenkt, sind es oft die kleinen Episoden, die man nicht vergessen kann. Während all das andere, von dem man gedacht hat, man werde es nie vergessen, nur flüchtig durch die Erinnerung flattert.
    ∗ ∗ ∗
    I m frühen Morgengrauen ging ich einmal mit Papa auf die Jagd. Er hatte mich um halb fünf geweckt. Weder Mama noch Trygve wollten mitkommen, aber Trygve zwinkerte mir munter zu, als ich mich anzog. Er war hellwach, bereit aufzustehen und mit seiner kleinen Pfadfinderaxt ein Dutzend Bäume zu fällen.
    Die Sonne schien blass. Der Boden dampfte kalt. Unten im Tal, bei dem großen See, zogen Nebelschwaden in den Wald. Ich schlotterte. Die fehlende Bettwärme ließ mich frieren, und die Müdigkeit lag wie nasse Baumwolle hinter meinen Augen.
    In unsere eigenen Gedanken versunken, stapften Papa und ich am Fluss entlang und an den Felsen vorbei, in denen sie immer kletterten. Ein kalter Hauch stieg vom Fluss auf. Papa hatte die Winchester geschultert. Die Patronen lagen schwer in der Tasche meines Anoraks und klickten aneinander wie die Kiesel am Flussufer.
    Der Wald war wild und unwegsam. Umgekippte Stämme, Spalten, Büschel von Heidekraut unter einem Himmel, der wie ein beschlagener Spiegel aussah. Es roch streng nach nassem Moos und abgestandenem Wasser. Zersplitterte Baumstümpfe, umgekippte Wurzeln, Farnkraut in Sonnenstrahlen. Weiter oben am Hang rief ein Vogel. Immer wieder der gleiche Ton. Dass der davon nicht verrückt wurde! Das Licht war so klar und blau, man konnte es beinahe greifen.
    Im Dickicht einer verwilderten Rodung blieb Papa an einer vom Wind umgestürzten Kiefer stehen und sah sich um. Nickte. Machte einen schnalzenden Laut mit der Zunge. Gab ein Zeichen, dass wir uns setzen sollten. Ich reichte Papa eine Hand voll Patronen. Er lud die Waffe. Papa hoffte auf einen Rotfuchs. Er hätte gern einen ausgestopften Fuchs im Flur gehabt. Einen,

Weitere Kostenlose Bücher