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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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Fähre lässt ihren wogenden Pulsschlag über die Meeresoberfläche rollen. Ich schließe die Augen und massiere meine Nasenwurzel mit den Fingerspitzen. Wackelig taumele ich nach hinten und sacke auf einem Stuhl zusammen. Ich friere. Die Kälte strahlt von meinem Bauch in meine Gliedmaßen aus. Ich greife an die Tischkante, um mich festzuhalten.
    Was ist mit mir los?
    Die rechte Gehirnhälfte beginnt, zu sieden und zu prickeln. Mein Schädel ist zu eng für das anschwellende Hirn.
    Mein Mund ist trocken, die Zunge klebt am Gaumen. Ich mache ein paar ängstliche Geräusche, fasse mir an den Kopf und versuche zu rufen. Nur ein Kicksen kommt über meine Lippen. Ich versuche, mich zu erheben, doch meine Glieder haben sich vom Körper gelöst und liegen in einem Haufen auf der Terrasse.
    Ein Wagen nähert sich über den Weg. Reifen knirschen auf Kies. Ein Motor brummt. Er hält hinter Bolla. Es ist ein roter Range Rover.
    Ich fasse mir an den Mund und röchele.
    Die Autotür geht auf.
    Sie sind zu zweit. Zwei alte Bekannte von dem Einbruch. King Kong und der feine Herr im Anzug.
    Als hätten sie alle Zeit der Welt, schlendern sie über die Treppe auf die Terrasse.
    » Guten Abend, Mr. Beltø «, sagt der Mann mit dem Anzug. Ein Brite bis in die manikürten Fingerspitzen.
    Ich versuche zu antworten, doch meine Worte quellen auf der Zunge und werden zu sinnlosem Lallen.
    » Es tut mir außerordentlich Leid «, sagt der Engländer. » Wir hatten auf Ihre Zusammenarbeit gehofft. Dann wäre uns all dies –erspart geblieben. «
    Sie packen mich unter den Armen und schleppen mich über die Terrasse. Meine Beine holpern über die Treppenstufen. Ich werde auf den Rücksitz eines Autos gehoben.
    Dann erlischt meine Erinnerung …
    7
    ALS ICH KLEIN WAR, hatte ich schon bevor ich richtig wach war ein Gespür dafür, welchen Tag wir hatten. Die stille Schläfrigkeit eines Sonntags, die seufzende Langeweile eines Mittwochs, das Zittern eines Freitags. Mit den Jahren habe ich diese Fähigkeit verloren. Wie so vieles andere. Jetzt geschieht es, dass ich mich gegen Mittag dabei ertappe, mich zu fragen, was für einen Tag wir haben. Und welches Jahr.
    ∗ ∗ ∗
    D as mit einem Haken festgemachte Fenster ist in sechs Scheiben unterteilt, in denen die Sonne glitzert.
    Ich ziehe die Decke über den Kopf und brauche ein paar Minuten, um zu mir zu kommen. Das ist nicht einfach. Doch bald tauche ich wieder auf.
    Das Zimmer ist nackt. Wie ich.
    Jemand hat meine zusammengefalteten Kleider über die Lehne eines Stuhls gelegt. Mich schaudert: Jemand hat mich ausgezogen! Ein fremder Mensch hat mir die Kleider ausgezogen und mich splitternackt in ein Bett gelegt!
    Es gibt eine Tür und einen Schrank. Eine Radierung von Jesus mit den Lämmern. Die Lithografie einer steinernen Burg. Und eine Fotografie vom Buckingham-Palast.
    Mein Kopf dröhnt und schmerzt.
    Auf dem Nachttischchen steht neben meiner Brille ein Glas Wasser. Ich stelle die Beine auf den Boden. Die Bewegung lässt mein Hirn auf doppelte Größe anschwellen. Ich setze meine Brille auf. In einem langen Schluck trinke ich das Wasser, doch es hilft nicht gegen meinen Durst.
    Meine Armbanduhr liegt ebenso dort, das Lederband nach beiden Seiten weggestreckt, und sieht aus, als habe sie das Zeitliche gesegnet. Aber sie tickt und geht und zeigt halb elf.
    Ich stehe auf und taumele zum Fenster. Mir wird schwarz vor Augen. Ich muss mich am Rahmen festhalten. Er ist weiß und riecht frisch gestrichen.
    Der Garten ist nicht groß. Ein paar Autos stehen auf dem Asphaltstreifen vor dem Haus. Kastanien versperren den Blick zur Straße, wo ich eine Straßenbahn höre. Also bin ich wohl in Oslo. Im ersten Stock eines Hauses mit Garten.
    Ich ziehe mich an. Es ist schwierig, das Hemd zuzuknöpfen. Meine Finger zittern so erbärmlich.
    Sie haben mir nichts genommen. In der Gesäßtasche steckt noch mein Portemonnaie mit allem Geld.
    Die Tür ist verschlossen. Ich rüttele daran. Draußen höre ich Stimmen und Schritte. Wie in einem Gefängnis klirrt ein großer Schlüsselbund. Dann wird der Schlüssel herumgedreht.
    ∗ ∗ ∗
    » Hello, my friend! «
    Es ist Michael MacMullin. Oder Charles DeWitt. Oder wer er heute sein will.
    Die Sekunden ziehen sich.
    Schließlich sage ich: » Dafür, dass Sie seit zwanzig Jahren tot sind, sehen Sie überraschend gut aus. «
    Normalerweise gelingt es mir nur selten, schlagfertig zu sein. Aber diesen Kommentar hatte ich mir schon im Flugzeug au s L ondon

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