Egeland, Tom
ausgedacht. Die ganze Zeit über habe ich geahnt, dass ich ihn wiedersehen werde.
» Ich werde das erklären. «
» Wo ist Diane? «
» Sie ist in guten Händen. «
» Was haben Sie mit ihr gemacht? «
» Später, mein Freund, später. Es tut mir wirklich Leid. «
Das Seltsame ist, dass es wirklich den Anschein hat, als meine er das ernst.
» Wären Sie so freundlich, mit mir zu kommen? «, fragt er.
So freundlich sein?
Der Flur hat eine rote Samttapete, und an den Wänden hängen kleine Lämpchen zwischen den Porträts von Königinnen und Königen, Adeligen, Rittern, Kreuzrittern und Päpsten. Jeder von ihnen folgt mir mit dem Blick.
Der dicke Teppich führt uns über einen langen Flur, eine breite Treppe hinauf bis zu einer schweren Tür. Ich weiß nicht, ob man das ein Sitzungszimmer nennen kann oder ein Raucherzimmer oder irgendeinen Festsaal –auf jeden Fall ist es ein gewaltiges, übermöbliertes Repräsentationszimmer aus Buche und Palisander mit schweren Gardinen und Kronleuchtern. Es riecht nach Möbelpolitur und Zigarren.
Das Erste, was meinen Blick auf sich zieht, ist ein enormes Ölgemälde zweier Druiden bei Stonehenge. Das andere ist der dunkle, lange, glatt polierte Tisch mit den grünen Filzunterlagen an jedem der zwölf hohen Lehnstühle. Das Dritte sind die beiden Männer, die in einer Ecke des Raums sitzen. Ich entdecke sie erst, als ich die Rauchwolke der Zigarre wahrnehme. Beide haben sich umgedreht und sehen uns mit gespannter Aufmerksamkeit entgegen.
Es sind Graham Llyleworth und Reichsantiquar Sigurd Loland.
Sie stehen auf. Loland weiß nicht recht, wo er hinsehe n s oll. Zuerst reicht Llyleworth mir die Hand. Dann folgt Loland seinem Vorbild.
Keiner von uns sagt etwas.
Auf dem Tisch stehen eine Porzellankanne mit Kaffee und vier Tassen.
» Zucker? Milch? «, fragt Llyleworth. Die Zigarre glimmt zwischen Zeige-und Mittelfinger.
Ich trinke keinen Kaffee.
An Loland gerichtet, sage ich auf Norwegisch: » Ich kenne mich nicht mit dem Strafrecht aus, aber eine Ausländerin zu kidnappen und anschließend einen Norweger zu betäuben und zu verschleppen, reicht sicher für fünf bis sieben Jahre Haft. Sofern Sie nicht geplant haben, mich mit einer Tonne Zement an den Füßen im Meer zu versenken. Dann können da schnell einundzwanzig Jahre draus werden. Und Sicherheitsverwah rung. «
Loland räuspert sich nervös und sieht zu MacMullin.
MacMullin brummt väterlich, als habe er alles verstanden, was ich gesagt habe. » Es tut mir Leid, ziehen Sie Tee vor? «
» Wo ist Diane? «
» Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ihr geht es gut! «
» Was haben Sie mit ihr gemacht? «
» Nichts. Bitte, machen Sie sich keine Sorgen. Es gibt für alles eine Erklärung. «
» Sie haben sie gekidnappt! «
» Ganz sicher nicht. «
» Wer sind Sie eigentlich? «
» Ich bin Michael MacMullin. «
» Ach nein. Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, haben Sie sich als Charles DeWitt ausgegeben. «
Llyleworth sieht ihn überrascht an: » Hast du? Wirklich? «
Ein kurzes Lachen rutscht ihm über die Lippen.
MacMullin macht eine Kunstpause. » Ach –habe ich das wirklich? «
Er sieht sich um wie im Spiel, runzelt die Stirn. » Stimmt schon. Als wir von unseren Freunden in der London Geographical Association erfahren haben, dass sich ein Bjørn Beltø aus Norwegen nach Charles erkundigt hat, haben wir einen kleinen, dummen Plan geschmiedet. Sie haben ganz Recht, ich ließ Sie in dem Glauben, ich wäre good old Charly boy. Aber um der Wahrheit Genüge zu tun, vorgestellt habe ich mich so nicht. «
Ich frage: » Und warum soll ich dann glauben, dass Sie Michael MacMullin sind? «
Er reicht mir die Hand. Wie aus Reflex schlage ich ein.
» Ich. Bin. Michael. MacMullin « , wiederholt er und drückt mir bei jedem Wort die Hand.
Seine Aura aus Sicherheit und Freundschaft verwirrt mich. Llyleworth, Loland und ich erinnern an wilde Hunde, die sich knurrend um einen Knochen streiten. MacMullin ist anders. Er schwebt in gewisser Weise über uns allen, hoch über dem kleinlichen Gestreite und Misstrauen. Sein ganzes Wesen –der warme Blick, die tiefe Stimme, die Ruhe –strahlt eine milde, freundliche Würde aus.
Loland stellt mir einen Stuhl hin. Ich setze mich auf den äußersten Rand der Sitzfläche. Wir sehen uns an.
» Sie sind ein harter Brocken, Beltø «, sagt MacMullin.
Die zwei anderen lachen nervös. Loland zwinkert mir zu. Sie tun so, als hätten wir eine
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