Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)
des Extrembergsteigens: eine Begegnung »mit dem wahren Ich«. 48
Allerdings ist völlig unklar, ob sie dabei das Monster ausbrüten oder töten, die einen tun das eine, die anderen das andere. In jedem Fall tun sie es um des eigenen Profits willen, genauso wie der Superheld es tut, nur ist ihre Belohnung nicht mehr moralischer, sondern ökonomischer Natur; und im Falle der Niederlage sterben sie.
»Wenn das Geld weg ist, ist es weg«, zitiert Zaloom ihren Ausbilder, »aber glauben Sie mir: Es fühlt sich an wie der Tod. Man muss da durch.« 49
Genau aus diesem Umfeld kamen auch jene Monsterkiller-Trader, die 2008 das System der Investmentbanken fast vernichtet hätten, indem sie erfolgreich dagegen wetteten. Sie hatten durch Leerverkäufe das Gegenserum in die Investmentbanken injiziert und damit deren Untergang – und ihren eigenen Aufstieg zu astronomischem Reichtum – herbeigeführt.
Einer der Erfolgreichsten unter ihnen ist Steve Eisman. »Es war, als ob wir das Monster fütterten«, würde er später bekennen. »Wir fütterten das Monster, bis es platzte.« 50
Das Script
Das also sind die Beteiligten. Die Dialoge unseres Films bestehen bislang aus den unzähligen Kommentaren, Analysen und Beschwörungen von Krise und Gesellschaft.
Und auch, wenn Journalisten so tun, als sei es das Normalste von der Welt, haben sich Experten, Nobelpreisträger, Politiker und Medien selbst in der Beurteilung eines vergleichsweise über schaubaren technischen Vorgangs zum Teil radikal widersprochen. Ihre Dialoge klingen wie die Art bruchstückhafter Funkverkehr, der in Katastrophenfilmen immer zu falschen Schlüssen führt:
»… es gibt keine Alternative, Over …«
»… scheitert der Euro, scheitert Europa, Copy …«
Diese Funksprüche werden in einem Kontext gesendet, den die Politik selbst vorgab:
»… die größte Krise seit der Großen Depression …«
»… das gesamte System vor dem Zusammenbruch …«
»… Armageddon …«
Seit die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik auf dem Höhepunkt der Lehman-Krise filmreif (und fast beispiellos) eine Reihe von Chefredakteuren einlud, um sie vor Panik zu warnen, befand sich die deutsche und europäische Politik in einem Irrflug – als würde eine hochnervöse Bodenstation (die Politik) versuchen, mit einem hochnervösen Piloten (den Märkten) über starkes Hintergrundrauschen hinweg zu kommunizieren. Und darum darf kein Bundesverfassungsgericht, kein Plebiszit und vor allem kein »falsches Wort« bei Absturzgefahr des Gesamtsystems diese Kommunikation zusätzlich stören.
Zum Hintergrundrauschen trugen auch andere bei: Parlamentarier, die heute rote Linien ziehen, die sie morgen überschrei ten. Medien, wie etwa die Korrespondenten der TV -Sender, die von den Brüsseler Gipfeln wie für ein Drehbuch reden (»… hat sich durchgesetzt …«; »… hat sich nicht durchgesetzt …«), Journalisten, Experten, Talkrunden, die im 48-Stunden-Takt einander und sich selbst völlig widersprechende Deutungen liefern.
Es gibt wohl keinen Europäer, dem das Deutungs- und Meinungschaos der letzten Jahre entgangen wäre, einfach deshalb, weil es mit einem extremen Grad permanenter Wiederholung vermittelt und gesendet wird, gerade so, als würde durch die schiere Wiederholung der Sachverhalt geklärt. Das geschieht aber nicht deshalb, weil der Sachverhalt so komplex wäre, sondern weil er im wahrsten Sinne des Wortes bereits akustisch nicht zu verstehen ist. Und Pilot und Bodenstation können sich bekanntlich bei Unklarheiten, bei denen es um Leben oder Tod geht, nicht zusammensetzen, um die Dinge aus einer anderen Perspektive zu diskutieren, stattdessen wiederholen sie nur stets die gleiche Information, bis sie »kopiert«, also bestätigt wird.
Das markiert den Unterschied zwischen dem, was man »Information« nennt, und dem, was wir uns unter »Wissen« vorstellen. So wie sich das Drehbuch eines Films von der Wirklichkeit, die »Spielzüge« eines Spielers von Kommunikation oder die »Information« des Traders vom »Wissen« des Marktes unterscheiden.
Dieser Umgang mit Information entspricht dem, was unter dem Stichwort »Informationstheorie« schon zu Anfängen des Computers gesetzt wurde: Informationssignale müssen keine Bedeutung haben, sie müssen nur gesendet werden, und zwar wieder und immer wieder …
Wer im Jahre 2012 die Marktkommunikation in Echtzeit verfolgt, die unzähligen, oft mit keiner Silbe aufeinander eingehenden und gewiss nie voneinander lernenden und
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