Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Titel: Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
Vom Netzwerk:
Aktiencrash von 1987 nicht passiert sei, weil er nicht passiert sein konnte: »Selbst wenn man die ganzen 20 Milliarden Jahre, die das Universum existiert, erlebt hätte … wäre die Wahrscheinlichkeit, dass es einen solchen Kursverlust auch nur einmal geben würde, buchstäblich ein Ding der Unmöglichkeit.« 45
    Was hier so physikalisch klingt, ist in Wahrheit uralter Bestandteil der Teratologie, der Monsterkunde: Ein Monster ist ein Ding der Unmöglichkeit, und genau deshalb ist es ein Monster.
    Zweitens: Verrückte Wissenschaftler, die Mad Scientists
    Bei ihnen ist – ähnlich wie bei Dr. Frankenstein – unklar, ob sie nicht selbst die Monster sind. Sie tragen keine weißen Kittel, sondern zerrissene Jeans und Chucks, sie hantierten nicht mit Reagenzgläsern, dafür aber mit elektronischen Funken und mathematischen Formeln, und sie heißen nicht Dr. Seltsam, sondern Quants.
    Wie in der Hollywood-Fantasie, die sie in unterirdische Bunker, in Kellerräume oder an den Nordpol verlegt, arbeiten diese Wissenschaftler im Verborgenen. Lange Zeit wurde ihre schiere Existenz geheim gehalten, wie bei PDT , dem mächtigen Hedgefonds von Morgan-Stanley, wo nicht einmal Mitarbeiter im eigenen Haus von ihnen wussten.
    Der Journalist Scott Patterson hat später berichtet, wie ah nungslos noch in den frühen Nullerjahren Schlips-und-Anzug- Banker bei Morgan Stanley waren, wenn sie zufällig im Fahrstuhl auf die »Zauberer« trafen.
    »Was zum Teufel macht ihr Kerle hier eigentlich?« Auf solche Fragen antworteten die PDT ler ausweichend und mit einem Schulterzucken: »Wir machen technisches Zeugs, irgendwas mit Computern. ›Quant-Zeug.‹« 46
    Drittens: Die Monsterkiller
    Das Auftauchen von Monstern schafft einen Markt für Drachentöter, meist junge Männer mit starken männerbündischen Fantasien in Testosteron produzierenden Umgebungen. Das sind die Actionhelden unseres inneren Films über die Wirtschaftskrise, zumindest sehen sie sich selbst so. Die Trader sind diejenigen, die die Geschichte aus den Innereien der großen Lehman- und AIG -Maschine erzählen. Von allen Beteiligten unseres Films sind sie womöglich tatsächlich die Einzigen, die als Holly woodhelden und Identifikationsfiguren taugen; weil sie in ihren geschlossenen Räumen vor den gleichen Computern sitzen, wie wir sie benutzen, und weil sie das moderne Leben als Überlebenskampf simulieren.
    Sie sind gewissermaßen die ersten nicht militärischen Exemplare einer digitalisierten Gesellschaft, die in vollständiger Abgeschlossenheit den Menschen, mit dem sie »handeln«, nicht mehr erleben. Sie »handeln« an Computerfronten und werden nicht vom moralischen, sondern vom ökonomischen Profit getrieben. Ihre Aufgabe ist es, das zu tun, was zum Beispiel auch Söldner und der »Terminator« tun: Sie »absorbieren Risiko«, und da es kein Risiko gibt, das von ihren Auftraggebern nicht versichert oder bewertet worden ist (Zinssenkungen, Hurrikans, explodierende Atomkraftwerke), kämpfen sie an allen Fronten.
    Moralisch sind sie nicht eindeutig. Gerne wechseln diese gut trainierten »He-Men« die Seiten.
    Einer ihrer beliebtesten Kampftricks heißt »Tobashi«, gebildet aus dem japanischen Wort »tobasu«, was so viel heißt wie »etwas wegfliegen lassen«. »Wegfliegen«, also »unsichtbar werden«, sollen nach dem Tobashi-System und mithilfe von Finanzprodukten die Schulden von Staaten oder Unternehmen. Im Jahre 2008 waren diese Trader maßgeblich an einer Operation beteiligt, in der Griechenland seine Schulden mithilfe von Derivaten loswurde, in denen Goldman Sachs diese Schulden vor den Augen der Welt buchstäblich verschwinden ließ.
    Dieser Trick brachte der Investmentbank ungefähr 300 Millionen Dollar und Griechenland eine Zinserleichterung von 1 Prozent. Da die Goldman-Sachs-Leute selbst am besten wussten, was sie gemacht hatten, benutzten sie ihr Wissen, um kurz darauf Griechenland wieder anzugreifen. 47
    Vor den Spiegelwelten ihrer Computerbildschirme begegnet sich dieser Typus von Trader selbst als Held eines Katastrophenfilms.
    Monster, lautet eine alte Weisheit, kommen von selbst oder sie werden eingeschleppt. So, wie Ellen Ripley das Monster in Ridley Scotts »Alien« sowohl analysiert, tötet und zur Welt bringt, interpretieren, übernehmen und absorbieren Computer-Trader die unsichtbaren Risiken, die in modernen Institutionen entstehen. Den Moment, wo ihre Trader-Kollegen sich größter Gefahr aussetzen, vergleicht Caitlin Zaloom mit Augenblicken

Weitere Kostenlose Bücher