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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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schon so viele Menschen auf die Idee gekommen sein, Gold, Munition oder Dosenpfirsiche zu horten, dass diese Waren in der sich entwickelnden Tauschwirtschaft schon heftiger Abwertung unterliegen würden. Aber kaum jemand würde daran gedacht haben, Bücher zu bunkern. Und zwar nicht Berlin Alexanderplatz oder Ulysses oder Der Zauberer von Venedig , nicht einmal Fließband – all das würde wertlos sein, wenn niemand mehr lesen konnte. Aber es gab gewisse Arten von Druckerzeugnissen, die ihren intrinsischen Wert nie einbüßen würden. Der Laden, den man in jenen ersten Tagen plündern musste, war der von Blimk.
    Nur dass Loeser nun sah, dass die Schatzkammer nicht wie erwartet voller Bücherregale stand. Stattdessen wurde der Raum von zwei alten Autos mit zerbrochenen Windschutzscheiben und verbeulten Stoßstangen beherrscht, unterirdisch geparkt wie Flüchtlinge vom Schrottplatz.
    »Was machen die hier?«, fragte Loeser.
    »Colonel Gorge hat sie im Jahr 1925 erworben, nachdem er von einem Unfall in Nevada gehört hatte. Er ereignete sich an einem warmen Sonntagnachmittag, und beide Fahrer hatten zufällig den Vormittag damit zugebracht, ihre Autos gründlich mit Sky-Shine zu polieren. Sie kamen aufeinander zu, und nah beieinander wurden beide vom Glanz der Sonne auf der spiegelblanken Motorhaube des anderen geblendet. Sie gerieten ins Schleudern und stießen zusammen. Beide Fahrer überlebten unverletzt, und Colonel Gorge wollte die Autos für eine Werbekampagne nutzen. Allerdings entschied er sich später anders.«
    »Warum?«
    »Bei dem Unfall sind drei kleine Mädchen und ein Terrier ums Leben gekommen.« Woodkin setzte die Führung fort. »Hier haben wir ein Autogramm der Schauspielerin Marlene Dietrich. Das hier ist der Kojote, dessen Drüsen Dr. Woronoff dem Colonel eingepflanzt hat. Dies ist das Skelett eines echten troodonischen Kantors. Dies ist eine sündhafte Puppe aus dem Puppentheater seines Ur-Ur-Ur-Urgroßvaters, die im vergangenen Jahr auf einem Dachboden in New Orleans gefunden wurde. Dies ist eine Kinderzeichnung der Tochter des Colonels; sie war fünf. Und dies ist das Buch, das der Colonel Ihnen gern schenken möchte.«
    Es war französisch, und es war selten, aber Mitternacht in der Schwesternschule war es nicht. Es war gar kein Bilderbuch. Es war ein viel älteres, kleineres Buch, in dunkelrotes Leder gebunden wie die Ausgabe von Dantes Inferno , die Loeser im Marais erstanden hatte, und es trug den Titel Un rapport de la confession sur son lit de mort d’Adriano Lavicini comme elle a été dit à son ami Bernard Sauvage en l’an de grâce 1691 – ein Bericht des Geständnisses des Adriano Lavicini auf dem Totenbett vor seinem Freunde Bernard Sauvage im Jahr des Herrn 1691.
    »Aber der Teleportationsunfall hat sich im Jahr 1679 ereignet«, sagte Loeser.
    »Ja«, sagte Woodkin. »Doch Lavicini hat ihn überlebt. Und als Auguste de Gorge, der Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßvater meines Arbeitgebers, das einige Jahre später erfuhr, beschloss er, sich an dem Venezianer für die Zerstörung seines Theaters zu rächen. Aber er verfügte damals nicht mehr über große Mittel, und als er herausfand, wo Lavicini sich versteckt hatte, war der schon gestorben, also war das Buch de Gorges einziger Trost. Bernard Sauvage hat nur zwölf davon drucken lassen, die für seine engsten Teilhaber gedacht waren. Es handelt sich um eines der wenigen Erbstücke, die alle Wechselfälle des Geschlechts derer von Gorge überlebt haben. Dies ist das letzte bekannte Exemplar. Alle Geheimnisse Lavicinis finden sich hier verzeichnet.« Woodkin unterbrach sich. »Ist Ihnen nicht wohl, Mr Loeser?«
    »Doch, doch. Kein Problem.« Loeser wusste, dass dieses Buch wahrscheinlich das größte Geschenk war, das zu erhalten er in seinem ganzen Leben erhoffen durfte. Er tat sein Bestes, seine Enttäuschung zu verbergen. »Hat Lavicini den Teleportationsunfall tatsächlich geplant? Bailey schien das zu glauben.«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Wegen einer Frau«, sagte Woodkin. »Er war wegen einer Frau nach Paris gekommen. Er hat den Teleportationsunfall wegen einer Frau verbrochen. Und wegen einer Frau kehrte er nach Venedig zurück. So heißt es in seinem Testament.«
    »Er hat wirklich all diese Menschen wegen einer Frau umgebracht?«
    »Nicht ganz, nein. Sie werden mir vergeben, wenn ich Ihnen vorschlage, dass Sie die Wahrheit am besten selber nachlesen, Mr Loeser. Nun, ich kann mir denken, dass dies ein anstrengender Abend für Sie

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