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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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seiner Muse widmet. Darauf trinke ich.« Scramsfield erzählte Loeser von apogee und Der Kummer der Edlen . Loeser wirkte nicht sonderlich interessiert, also wechselte Scramsfield das Thema und erzählte von den Pariser Restaurants, aber auch das schien Loeser nicht sonderlich zu interessieren, also fragte er ihn, was in dem in Packpapier gewickelten Päckchen sei, das er unter dem Arm trug. Der Deutsche wickelte es aus, um es ihm zu zeigen. Es war eine sehr alte Ausgabe von Dantes Inferno , gebunden in ein dunkelrotes Leder, das so schlaff und faltig war, dass es fast wie eine zähe Flüssigkeit aussah, wie eingepökelte Erdbeermarmelade.
    Scramsfield ließ seine Gedanken während der folgenden Erklärung abschweifen, denn eine Geschichte, die mit der Büchersammlung eines Toten begann, endete eher selten als Männerwitz, aber im Grundsatz ging es um Folgendes: Weil Loeser glaubte, Adele kaum zufällig begegnen zu können, bevor sich abends die Lokale füllten, hatte er die Nachmittage genutzt, so viel wie möglich über einen seiner Helden herauszufinden, der einst in Paris gelebt hatte, einen gewissen Adriano Lavicini. Und durch eine glückliche Fügung hatte er entdeckt, dass es im Marais einen Händler für seltene Bücher gab, der auf einer Auktion mehrere Bücher aus dem Besitz dieses Burschen ersteigert hatte. Inzwischen war im Laden nur noch ein einziges dieser Bücher vorrätig, und zwar das uninteressanteste von allen – nicht nur weil es irgendwann in seinem langen Leben von einem undichten Dach getrunken hatte, sondern auch weil es keinen Grund zu der Annahme gab, dass Lavicini es jemals aufgeschlagen hatte: Es hatte ursprünglich einem seiner Freunde gehört, einem gewissen Nicholas Sauvage, und als Sauvage gestorben war, hatte er Lavicini ein paar seiner Bücher hinterlassen, aber dann war Lavicini selbst gestorben, und zwar nur ein paar Monate nachdem er dieses Erbe angetreten hatte. Loeser kaufte das Buch trotzdem, und als er beim Abendessen im Maison d’Or darin blätterte, war er froh darüber. Offenbar hatten weder Lavicini noch Jahrhunderte später der Buchhändler bemerkt, dass Sauvage ungefähr in der Mitte des achten Höllenkreises einen Brief von Lavicini aus dem Januar 1679 eingelegt hatte.
    »Was steht in dem Brief?«, fragte Scramsfield.
    Loeser zog einen unbeschrifteten Umschlag aus der Tasche und entnahm ihm den alten, gefalteten Brief. »›Lieber Nicholas‹«, las er, ganz langsam, weil er dabei übersetzen musste, »›in der Nacht nach unserer Begegnung habe ich kein Auge zugetan, vor Sorge, dass Du meine Warnungen nicht mit dem … nötigen Ernst aufgenommen haben könntest. Ich vermag nicht zu sagen, was es nützen könnte, sie zu wiederholen, aber ich wüsste auf kein anderes Mittel zurückzugreifen. Erlaube mir also noch einmal, ganz offen mit Dir zu sein: Wenn Du Deine Pläne weiter verfolgst, musst Du um Dein Leben und das Deiner Familie fürchten. Du weißt, wie es Villayer ergangen ist, als er sich mit Kräften messen wollte, die er nur unterschätzen konnte: Er hat im Cour des Miracles den Tod gefunden‹ – im Wunderhof. ›Ich gebe nicht vor, klüger zu sein als Villayer. Aber meine Handlungen haben mich dem Kern dieser Heimtücke näher gebracht, als ein Mensch je kommen sollte. Und so weiß ich von deren Macht und Ausmaß. Mehr will ich davon in einem Brief nicht sagen, aber bitte, Nicholas, mein lieber Freund, merke Dir dieses: Wenn Du darauf beharrst, dein Ziel, diesen … dunklen, tiefen Grund zu erobern, weiter zu verfolgen, dann wird er Dir bald zu einer Gruft werden. Ich kenne Deinen Stolz, Du glaubst, ein Mann müsse die Freiheit haben, diese‹ – ich habe noch nicht ganz herausgebracht, was der nächste Begriff bedeutet – ›unerhörten Reisen?‹ Egal: ›diese unerhörten Reisen zu unternehmen, ganz wie Villayer glaubte, er besäße die Freiheit, seine unerhörten Nachrichten‹ – oder was immer das heißt – ›zu übermitteln, aber bis wir so stark sind wie jene, die uns entgegenstehen – und wir wissen beide, dass dies vor dem völligen Umsturz der herrschenden Ordnung unmöglich ist –, bleibt dies ein trauriges und zum Scheitern verurteiltes Ziel. Blaise ist klug genug, das zu verstehen – warum nicht du?‹ Ich glaube, er meint Blaise Pascal – Lavicini und er waren Bekannte. ›Zum hundertsten Mal, ich flehe dich an, lass ab davon. Bitte schreibe mir zur Antwort, sobald du diesen Brief erhältst. Adieu.‹ Dann kommt unten ein

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