Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort
Los Angeles gab einem nicht das Gefühl, es hätte je Durst leiden müssen.
Das Haus der Muttons
Loeser trug seine neue Kamera an einem Ledergurt um den Hals und schlug sich quer durchs üppige Gestrüpp am Straßenrand, um auf dem Weg zur Terrasse des Hauses wenigstens vom Gebüsch verdeckt zu werden. Zuerst war von Dolores Mutton nichts zu sehen, doch als er näher kam, sah er durch die Glasfassade, wie sie in der Küche eine Orange aß; plötzlich schien es, als sei die Gugelhupfsche Bauweise vor allem zu Überwachungszwecken ersonnen worden. Drabsfarben war offenbar noch nicht eingetroffen, also setzte sich Loeser in den Schatten eines Baumes, klopfte sich den Staub aus der Hose und wartete. Auf einem Felsen ein paar Meter weiter döste smaragdglänzend eine Echse, die an Mordechai erinnerte. Der Duft des Ozeans wehte heran, ein milder Moschus für so ein gewaltiges Tier.
Kurz vor der Mittagsstunde hielt ein Wagen vor dem Haus, der Komponist stieg aus und ging hinein. Gebückt näherte Loeser sich der Terrasse. Drabsfarben und Dolores Mutton standen im Wohnzimmer, beide schon in zorniger Pose, als hätten sie ihren Streit von der Party zwei Abende zuvor nie unterbrochen. Loeser schoss ein paar Fotos, aber sie würden einander schon wenigstens küssen müssen, wenn er Stent Mutton zwingen wollte, seinen Irrtum einzugestehen, damit er sich dann in der Dankbarkeit baden konnte, die, wie Bevilacqua ihm versichert hatte, folgen würde.
»Was machen Sie denn da bitte?«
Loeser hüpfte das Herz wie ein Tennisball. Er drehte sich um. Vor ihm stand ein untersetzter Junge in einem Jeanshemd mit einer großen Einkaufstüte aus Packpapier unter dem Arm.
»Ich bin ein Freund der Muttons«, sagte Loeser.
»Aber sicher doch«, sagte der Junge. Dann packte er Loeser mit der freien Hand am Kragen und zerrte ihn den Abhang hinunter auf das Haus zu, wobei er »Mrs Mutton! Mrs Mutton!« rief.
Dolores Mutton trat auf die Terrasse. »Was ist denn?«
»Ich wollte Ihnen eben die Einkäufe bringen, da stoße ich auf diesen fiesen Typen, der sich da oben versteckt und Fotos macht. Ein Spanner oder so was. Klingt ausländisch.«
»Vielen Dank, Greg. Ich kenne den Mann. Er hat uns schon einmal belästigt. Das hast du genau richtig gemacht.«
»Soll ich hier warten, während Sie die Polizei rufen?«
»Nein, nicht nötig. Ich regele das. Lass einfach die Einkäufe hier.«
Greg stellte den Beutel ab, und sie nahm fünf Dollar aus der Handtasche und gab sie ihm. Als er weg war, winselte Loeser: »Ich wollte nur mein Hemd und meine Hose abholen.«
»Warum haben Sie uns fotografiert?«
»Das Haus. So ein architektonisches …«
»Von wegen.« Sie riss ihm die Kamera weg und warf sie an den Barbecue-Grill, wo sie klirrend aufschlug und dann auf die Steinfliesen fiel. Das Sonnenlicht zuckte in ihren blonden Haaren wie ein gefangenes Tier. »Ich will Ihnen mal was sagen, Mr Loeser. Ich habe Jascha einmal einen Menschen umbringen sehen. Haben Sie jemals einen Granatapfel aufgeschnitten und dann die Hälften von innen nach außen gekehrt, um an die Kerne zu kommen? Können Sie sich noch an das Geräusch erinnern? Mit einem ganz ähnlichen Geräusch kann Jascha einen Menschen umbringen, und lauter ist es auch nicht. Ich bin einmal dabei gewesen und habe es gehört. Wenn Sie so etwas noch einmal versuchen – wenn Sie zu meinem Mann noch eine einzige unpassende Bemerkung machen –, bringt Jascha Sie um und lässt es nach einem Unfall aussehen. Selbst wenn ich wollte, ich würde ihn nicht aufhalten können. Dieser Fotoapparat wird mit Ihren Kleidern im Müll landen, und ich will Sie im Umkreis von einer Meile um dieses Haus nicht mehr sehen, so lange Sie leben. Kapiert?« Loeser war zu schockiert, um zu antworten, also wiederholte sie lauter: »Haben Sie das kapiert?«
»Ja. Verstehe. Gut. Vielen Dank. Auf Wiedersehen.«
Loeser drehte sich um und lief weg.
Er hatte schreckliche Angst, aber er wusste, dass es dafür eigentlich keinen Grund gab, denn was er eben von Dolores Mutton gehört hatte, war nur eine metaphorische Drohung gewesen. Bestimmt. Eine plastische, detaillierte, überzeugende und erschreckende, aber gänzlich metaphorische Drohung. Drabsfarben war kein Mörder. Das wusste Loeser genau. Er hatte allerdings auch genau gewusst, dass Drabsfarben kein Ehebrecher war. Was wusste er schon? Aber wer wäre so irre, den elektrischen Stuhl zu riskieren, um ein so kleines Vergehen wie Untreue zu vertuschen? Eine Figur von Stent
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