Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort
ein untotes Wesen, so wie Dracula?«
»Das eher nicht. Unser Gastgeber kann seinen Stammbaum bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen, aber es gibt keine Originalgemälde mehr. Also hat er diese hier in Auftrag gegeben, als er das Haus gebaut hat. Er hat für alle zehn in verschiedenen historischen Kostümen Modell gesessen. Der Künstler war wirklich gut – du wirst sehen, dass die Physiognomie auf kaum merkliche Weise atavistischer wird, je weiter man zurück in die Zeit reist. Natürlich gibt es auch keinen Hinweis mehr darauf, dass die Mutter seines Großvaters ein Mexikanermädchen war. Oder dass er aus der letzten oder vorletzten Generation davor kreolisches Blut in den Adern hat.«
Loeser stapfte durch den Raum, um sich das Porträt neben der Tür anzusehen, das »älteste«, das Gorge mit gepuderter Perücke und Spitzenkragen zeigte und die Aufschrift trug: » AUGUSTE DE GORGE : 1638 – 1739«.
»Nein! Gorge stammt von Auguste de Gorge ab?«
»Ja«, sagte Rackenham. »Wie vermutlich die meisten von uns. De Gorge hatte außergewöhnlich viele Kinder. Die meisten davon allerdings unehelich. Wilbur Gorges Zweig des Stammbaums war fast der einzige, der den Familiennamen weitertrug.«
»Wie kann er hunderundeins Jahre alt geworden sein?«, sagte Loeser und stapfte wieder zurück.
»Alt für seine Zeit, aber noch immer kein Dracula.«
»Ich hatte gedacht, der Teleportationsunfall sei sein Ruin gewesen.«
»Das war er auch. Aber umgebracht hat er ihn nicht. Er war überhaupt schwer umzubringen, wie es scheint.«
Woodkin kam mit Loesers Ginger Ale. Als er wieder draußen war, holte Rackenham einen Flachmann aus der Tasche, schraubte ihn auf und kippte Loeser ein wenig Gin ins Glas. Loeser bedankte sich, nahm einen Schluck, verzog das Gesicht und rührte den improvisierten Highball mit dem kleinen Finger um. »Dieses Haus ist erstaunlich.«
»Es ist in der Straße noch nicht einmal das größte. Das hier ist das Millionärsviertel.«
»Trotzdem. Hat er das Geld geerbt?«
»Nein. Gorges Vater ist ohne einen Penny in Albuquerque gestorben. Diese Monstrosität hat Sky-Shine finanziert.«
»Aber wie reich kann man schon werden, wenn man – was war das gleich? Autopolitur verkauft?«
»Von zehn Büchsen Autopolitur, die in diesem Land verkauft werden, stellt Gorges Firma sieben her, unter verschiedenen Markennamen. ›Deine Frau machst du hübsch, warum soll sie in einem schäbigen Auto sitzen?‹ Und jede Büchse kostet im Verkauf einen Dollar und in der Herstellung zehn Cent. Hat mir seine Frau erzählt. Mit Autopolitur kann man stinkreich werden. Aber es gibt keinen Erben. Der Colonel und seine Frau haben nur eine Tochter und teilen das Bett seit zehn Jahren nicht mehr. Cousins gibt es auch keine. Der letzte ist mit der »Lusitania« untergegangen. Und so wird der Name zehn Generationen nach Auguste de Gorge in diesem Haus aussterben.« Wenn Gorges Frau nicht mit ihm schlafen wollte, dachte Loeser, dann hatte er offenbar deshalb mit seiner berühmten Sammlung begonnen. So reich und mächtig er auch sein mochte, als die Sorte Mann, die zum Abendessen Ginger Ale trank, war er für körperliche Untreue wahrscheinlich zu etepetete, also widmete er sich wie Loeser der einzigen Art, sich Erleichterung zu verschaffen, die ihm noch zur Verfügung stand. Das fand Loeser deprimierend und tröstlich zugleich. Zweifellos verschaffte es Gorge eine Art von »Befriedigung«, wie sie ein Mann empfinden mochte, dem man den fortschrittlichsten und teuersten Katheter der Welt gesetzt hatte.
»Wie ist das denn nun? Ihm Hörner aufzusetzen?«
»Hast du jemals jemanden dazu gekriegt, ihren Mann oder seine Frau mit dir zu betrügen?«, sagte Rackenham.
»Nein.«
»Beim ersten Mal gibt es wirklich nichts Befriedigenderes. Ich glaube, ich war vierzehn. Danach wird es natürlich Routine, und bis Pasadena ist es für mich eine lange Fahrt. Aber die Jungs in Venice Beach haben kein Geld, den Kokainhandel haben hier offenbar erstaunlich vorsichtige Mexikaner in der Hand, und ich werde jetzt nicht plötzlich zum ersten Mal in meinem Leben arbeiten gehen. Gorges Frau macht mir gern Geschenke, aber anders als die anderen Frauen im Millionärsviertel will sie mir kein Bargeld geben, weil sie Angst hat, ich könnte mir wie ein Gigolo vorkommen. Als wäre ich armselig genug, mich einen Dreck um so etwas zu scheren. Also versetze ich einfach alles. Übrigens kommt sie heute Abend nicht runter. Amelia sieht ihren Mann und mich nicht
Weitere Kostenlose Bücher