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Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Titel: Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edzard Reuter
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Allgemeinen Zeitung , sei der Nationalstaat »mit seinen zweihundert Jahren blutjung«. »Hemmungslos« schlügen sich die europäischen Völker »charakterliche Zerrbilder um die Ohren«, »manche Sätze, die da in jüngster Zeit zu lesen waren«, erinnerten »an die Jahre vor und zwischen den Weltkriegen«.
    Was also verbirgt sich dahinter, wenn uns immer wieder versichert wird, es gebe eine gemeinsame europäische Kultur, die in eine gemeinsame europäische Geschichte eingebettet sei – eine Klammer, die uns, bewusst oder unbewusst, auch dann miteinander verbinden soll, wenn die oder der Einzelne im täglichen Leben keinerlei konkrete Anzeichen dafür zu erkennen vermag, vielmehr davon überzeugt bleibt, anders zu sein als die anderen?
    Reicht es da aus, wenn versucht wird, sich immer wieder auf so hehre Überzeugungen wie das Christentum als unsere gemeinsame Wurzel zu berufen? Darauf, dass womöglich alle unsere indogermanischen Sprachen ursprünglich aus Anatolien stammen? Auf die prägenden Beiträge des Judentums? Auf die Spuren der islamischen Geschichtsperiode in Spanien? Auf die Französische Revolution mit ihren Idealen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit? Auf die Durchsetzung der allgemeinen Menschenrechte und einer von obrigkeitlicher Willkür unabhängigen Rechtsstaatlichkeit? Auf die Grundsätze der Vernunft und der Aufklärung, nach denen unser politisches und gesellschaftliches Zusammenleben organisiert ist? Geht es nicht nur um Schlagworte, mit denen man uns einlullen will? Handelt es sich womöglich nur um die schöngeistige Einbildung abgehobener »Eliten«? Kann man ernsthaft damit begründen, warum wir unsere nüchternen materiellen Interessen auf dem Altar einer sogenannten »Vision« opfern sollen, die dem »Gemeinwohl« aller Bürgerinnen und Bürger dient?
    Die Antwort lautet: Ja – das kann man. Diese Antwort ist freilich alles andere als selbstverständlich. Sie muss täglich neu begründet werden. Das aber ist eine wahrhafte Sisyphosaufgabe: Verdammt dazu, wie der griechische Bruder Leichtfuß den Felsblock, der ihm regelmäßig knapp unter dem Gipfel entgleitet, immer wieder neu den Hang hinaufwälzen zu müssen, wird niemand, der eine wie auch immer geartete gesellschaftspolitische Verantwortung trägt, an der Aufgabe vorbeikommen, die kulturelle Gemeinsamkeit der Europäer ständig neu in das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zurückzurufen. Denn so unbezweifelbar es ein solches gemeinsames kulturelles Erbe Europas gibt, so wenig ist dies nun einmal der großen Mehrheit seiner Bewohnerinnen und Bewohner in ihrem täglichen Leben bewusst. Das schöne Wort von der »europäischen Identität«: es mag ja sein, dass es in der Welt der abstrakten Begriffe zu Recht seinen Platz hat – im Gefühl der einfachen Menschen wird es bestenfalls gerade noch erahnt. Wir wollen uns hier auch nicht mit dem Versuch überheben, daran etwas zu ändern. Einige wenige Hinweise dürfen wir uns dennoch zumuten.
    *
    Eine erste Besonderheit fällt ins Auge, wenn wir danach fragen, warum sich das allgemeine staatsbürgerliche Bewusstsein in den USA so deutlich von demjenigen in Europa, genauer: in der Europäischen Union, unterscheidet. Noch weit mehr als hier setzt sich die dortige Bevölkerung aus einer fast unübersehbaren Vielzahl gänzlich verschiedener Abstammungen und Traditionen zusammen: italienischen, spanischen, französischen, irischen, britischen, deutschen Einwanderern, indianischen Stämmen, zugewanderten Chinesen, Indern, Indonesiern, Nachfahren schwarzafrikanischer Sklaven und – neuerdings besonders zahlreich – hispanischen Zuwanderern aus Mexiko. Manche sprechen allenfalls gebrochen Englisch, viele haben nicht genug zum Leben, wohnen in erbärmlichen Unterkünften, können ihren Kindern keine vernünftige Ausbildung bieten. Wenn die Nationalhymne erklingt, legen sie trotzdem alle die rechte Hand auf ihr Herz und versuchen, den Text mitzusingen, fühlen sich stolz auf ihr gemeinsames Land: »The land of the free and the home of the brave«.
    Die Erklärung für diese bemerkenswerte Eigenheit liegt natürlich auf der Hand, wenn wir einen Blick auf die Geschichte werfen. Sie unterscheidet sich insofern grundlegend von der Geschichte Europas, als die Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika noch nicht einmal 250 Jahre zurückliegt. Die heutigen europäischen Völker hingegen blicken auf eine Vergangenheit zurück, die seit mindestens drei Jahrtausenden andauert.

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