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Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Titel: Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edzard Reuter
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aneinander angeglichen. Unter anderem hat das zur Folge, dass sich – abgesehen von einer vorübergehenden Phase der Konsolidierung während der Zeit des »Kalten Krieges« – keine dauerhaft in sich gefestigten politischen Parteien herausgebildet haben, die in der Lage sind, die regionalen Interessen auf nationaler Ebene verlässlich zu vereinen. Trotz der hoch leistungsfähigen Wirtschaft vor allem im Norden des Landes ist es genau diese Schwäche seiner politischen Strukturen, die Italien zu einem so sorgenvollen Problemfall unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gemacht hat – und uns alle mit der bitteren Wahrheit konfrontiert, dass mit Griechenland und Italien genau die beiden Länder zu der augenblicklichen Krise beitragen, deren kulturelles Erbe die Länder und Völker Europas so eng aneinander bindet.
    Kaum war jedenfalls die Entstehung der Nationalstaaten im Verlauf des 19. Jahrhunderts auch nur einigermaßen abgeschlossen, fiel ihnen nichts Besseres ein, als sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen, um größer und mächtiger zu werden als die anderen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs begann 1914 die »Urkatastrophe« – wie sie der bedeutende amerikanische Historiker und Politiker George F. Kennan zu Recht benannt hat – des 20. Jahrhunderts. Vieles spricht inzwischen dafür, dass der Krieg bewusst von einigen scharfmacherischen Drahtziehern im kaiserlichen Deutschland vom Zaun gebrochen wurde. Der mit diesem Verdacht verbundene akademische Streit unter den Historikern braucht uns allerdings weit weniger zu interessieren als die von niemandem bestrittene Tatsache, dass im Grunde genommen alle beteiligten Großmächte – Deutschland und Österreich-Ungarn auf der einen, Frankreich, Großbritannien, Italien und Russland auf der anderen Seite – in die Auseinandersetzung hineingestolpert sind, ohne vorher ernsthaft eine friedliche Einigung versucht zu haben. Während auf den Schlachtfeldern längst Abertausende junger Männer verbluteten oder erstickten, träumten wahnwitzige deutsche Militärs und ihre politischen Handlanger selbst nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten von Amerika immer noch von einem »Siegfrieden« und der Annexion fremder Länder, ging es auf französischer Seite vor allem um Rache für den verlorenen Krieg von 1870/71 und die Rückgewinnung von Elsass-Lothringen.
    Am Ende stand nicht nur der Untergang des wilhelminischen Deutschen Reichs, sondern auch eine umfassende staatliche und nationale Neuordnung in weiten Teilen des östlichen und südöstlichen Europa. Dazu zählte der Zerfall von zwei Mächten, die über Jahrhunderte hinweg eine maßgebliche Rolle in der Weltpolitik gespielt hatten: des Kaiserreichs Österreich-Ungarn und des Osmanischen Reichs, mit der Folge, dass neue autarke Nationalstaaten wie das Königreich Jugoslawien (mit seiner geschichtlich wie kulturell keineswegs »homogen« zusammengesetzten Bevölkerung aus Serben, Kroaten und Slowenen), die Tschechoslowakei und das wiederbegründete Polen entstanden, während die 1923 unter Kemal Atatürk neu gegründete Republik Türkei ihren Weg in die westliche Moderne begann.
    Die europäische Unruhe war freilich damit nicht zu Ende. Zum Schluss waren es tiefgreifende wirtschaftliche Erschütterungen, deren Auswirkungen dafür sorgten, dass allenthalben sogar die Erinnerung an das Grauen des großen Krieges verblasste und der Kontinent in neue Unruhe und Streitigkeiten verfiel.
    In Deutschland war es die Inflation der 20er Jahre, die das mühsam aufgebaute Vermögen unzähliger Menschen vernichtete. Kurz darauf, am Ende des Jahrzehnts, folgte eine weltumspannende Wirtschaftskrise, die den Ruin einer großen Zahl von Unternehmen und eine explodierende Arbeitslosigkeit nach sich zog. Daraufhin brach unter dem Druck blutiger Straßenschlachten zwischen nationalsozialistischen und kommunistischen Schlägerbanden die demokratische Staatsordnung der Weimarer Republik hilflos in sich zusammen. Adolf Hitler konnte damit beginnen, die Todesspuren seines Wirkens in die Geschichte des 20. Jahrhunderts zu pflügen. Parallel dazu gelang es Josef Stalin von Tag zu Tag mehr, die russische kommunistische Partei unter seine brutale Führung zu zwingen, bis sich die 1917 nach der Revolution ausgerufene »Diktatur des Proletariats« schließlich 1937 mit der Liquidation aller verbliebenen Rivalen endgültig in eine Einmanndiktatur verwandelte. Die Weichen waren gestellt: Die in der UdSSR schon früh eingeübte

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