Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
mit einer Art von Überzeugungskraft zu vertreten, die man heutzutage gern als »Empathie« zu bezeichnen pflegt. Die Wiedergeburt einer Vision für Europa, die tatsächlich einen solchen Namen verdient, kann nur lauten: die »Vereinigten Staaten von Europa« (oder meinetwegen etwas vergleichbar Einprägsames!) – nicht als billige Kopie der USA, sondern als ein neuer, junger, stolzer und selbstbewusster Weg in eine erfolgreiche Zukunft.
In diesem Sinne hat Ulrich Beck, der brillante Soziologe, von einem »kosmopolitischen Europa« gesprochen – und mahnend angefügt: »Wo bleibt der europäische Willy Brandt?«
»Vereinigte Staaten von Europa«: Ich weiß wohl, dass ich spätestens an dieser Stelle bezichtigt werde, tollkühnen Illusionen anzuhängen. Die einen sind schnell mit dem Totschlagsargument zur Hand, dass sich dahinter nichts als die Absicht verberge, den unersättlichen bürokratischen Moloch namens Brüssel zulasten der regionalen Eigenständigkeit mit uferloser Befehlsgewalt auszustatten – die anderen halten es für grob leichtfertig, durch die Verwendung eines Begriffs, der unvermeidlich zu Fehldeutungen über seinen Inhalt führen muss, das eigentliche Projekt der europäischen Vereinigung in Misskredit zu bringen.
Rückblicke in die Geschichte und die Lehren, die sich daraus ableiten lassen, sich hie und da an das Werden und Vergehen des alten Römischen Reichs oder auch an den Vielvölkerstaat des österreichisch-ungarischen Habsburgerreichs und seine Strukturen zu erinnern – das könnte in diesem Zusammenhang durchaus interessant sein. Das Römische Reich konnte sich freilich nur deswegen so eindrucksvoll über die Jahrhunderte hinweg behaupten, weil es sich aus einem einzigen Machtzentrum heraus entwickelt hatte, dessen politische, kulturelle und wirtschaftliche Legitimität niemand infrage stellen durfte. Der Untergang Österreich-Ungarns hingegen war – neben mannigfachen anderen Gründen – einfach deswegen unausweichlich, weil die immer schwächer werdende Monarchie der Wucht der wie ein Buschfeuer um sich greifenden nationalstaatlichen Ideologie nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Ein künftig vereintes Europa muss also aus eigener Überzeugungskraft heraus entstehen – nicht aus nostalgischen Rückgriffen auf vergangene Zeiten. Freilich ist dafür, ob man es wahrhaben will oder nicht, eine erkennbare Zielsetzung erforderlich. Und ich bleibe dabei: Diese kann, ja muss, »Vereinigte Staaten von Europa« heißen!
*
2004, vor bald zehn Jahren, hatten sich die Mitgliedsstaaten schon einmal auf den Weg gemacht, die Strukturen der EU grundlegend zu reformieren. Mehrheitsentscheidungen sollten das lähmende Einstimmigkeitsprinzip ablösen, die Brüsseler Kommission sollte nicht nur verkleinert, sondern zugleich durchsetzungsfähiger, die Bürgernähe des Parlaments drastisch erweitert werden. All diese löblichen Absichten scheiterten jedoch kläglich, gekrönt durch den negativen Ausgang der Volksabstimmungen über den einschlägigen Verfassungsvertrag in den Niederlanden und in Frankreich, wo der in jeder Hinsicht ausgelaugte Präsident Chirac längst jegliche europäische Überzeugungskraft verloren hatte. Die darauf folgende Ratlosigkeit in den Mitgliedsländern führte zu dem verzweifelten Ausweg, mithilfe von ausgeklügelten juristischen Ausnahmeregelungen und Detailbestimmungen die Notwendigkeit von Referenden über ein neu formuliertes Vertragswerk zu umgehen. Selbst die Ratifizierung dieser »abgespeckten« Version löste freilich nochmals langwierige Auseinandersetzungen aus, die zu weiteren Aufweichungen der vereinbarten Regelungen zwangen, bevor der Vertrag endlich am 1. Dezember 2009 in Kraft treten konnte. Inzwischen hat sich dieser »Vertrag von Lissabon« mit seinen dazugehörenden unzähligen »Protokollen« und einer Länge (im offiziellen Amtsblatt der Union) von immerhin 230 Seiten – wie zu erwarten – als genau jene Monstrosität erwiesen, deren Funktionsweise nur noch hoch spezialisierte Fachleute, nicht aber die einfachen Bürgerinnen und Bürger wenigstens einigermaßen durchschauen, geschweige denn verstehen können.
Nehmen wir nur die vielgepriesene Einigung als Beispiel, künftig eine »Präsidentschaft« der Europäischen Union einzurichten. Nachdem man sich zumindest einigermaßen daran gewöhnt hatte, dass die in Brüssel ansässige »Europäische Kommission« durch den Portugiesen José Manuel Barroso als ihren »Präsidenten« geleitet wurde, kam
Weitere Kostenlose Bücher