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Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Titel: Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edzard Reuter
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Der Kompromiss, der 1787 schließlich zur Verabschiedung der – in ihren Grundzügen bis heute unveränderten – Verfassung der USA führte, beruhte schließlich auf einem sorgfältig ausgewogenen System von gegenseitigen Kontrollen zwischen den Mitgliedsstaaten und der Union. Dazu zählte (inzwischen kaum noch als Realität wahrgenommen und dennoch formell weiter bestehend!) die doppelte Staatsbürgerschaft (»citizenship«) sowohl im Heimat- als auch im Bundesstaat. Nicht weniger wichtig jedoch, weil eine der zwar ungeschriebenen, aber gerade deswegen ungeteilt als grundlegend empfundenen Leitideen des neuen Staatswesens: der für alle Institutionen ebenso wie für die Bürgerinnen und Bürger unantastbare Respekt vor den Überzeugungen der damaligen »Founding Fathers«, der Gründerväter der Union.
    Die Versuchung ist nahezu unwiderstehlich, vor einem solchen Hintergrund Parallelen zum Thema dieses Buches zu ziehen. Gewiss: Die geschichtlichen Begleitumstände unterscheiden sich grundlegend von den heutigen. Die Gründerväter standen insofern unter einem für jedermann erkennbaren, weil lebensgefährlichen Druck, als die bisherigen Kolonien ohne eine sofortige Bündelung ihrer Kräfte mit Sicherheit durch Großbritannien militärisch besiegt worden wären. Alle wussten also, dass es keine ernsthafte Alternative zum Zusammenschluss gab. Und trotzdem: Jene »Founding Fathers«- das waren Persönlichkeiten wie George Washington, Alexander Hamilton, Benjamin Franklin oder John Adams, allesamt ebenso weitsichtige wie unabhängige Geister, denen im Ernst niemand vorwerfen konnte, aus eigensüchtigen oder gar billigen populistischen Motiven zu handeln. Sie waren glaubhaft, mutig und selbstlos, mit anderen Worten: Vorbilder. Genau diese Eigenschaften aber sind bei denjenigen, denen wir zuletzt die führende Verantwortung für den Fortgang des europäischen Einigungsprozesses übertragen haben, eher rar geworden. Deren Staatskunst besteht aus geschicktem Lavieren, dem taktischen Hinausschieben unangenehmer Fragen – mit einem Wort: aus fehlendem Mut, offen und deutlich zu sagen, wofür man steht, welche Vision man als Ziel vor Augen hat. Genau darin aber wird der Unterschied zum damaligen Wirken der »Founding Fathers«, zu ihrem Rang als geschichtsmächtige Persönlichkeiten, deutlich.
    Geschichtliche Vergleiche sind stets mit Vorsicht zu betrachten. Deswegen wird – wie gesagt – vermutlich kaum jemand ernsthaft auf die Idee verfallen, die damalige Situation auf dem nordamerikanischen Kontinent mit derjenigen der heutigen Europäer gleichzusetzen. Trotzdem sind gewisse Parallelen unübersehbar. Für die Gründungsstaaten der USA ging es in der Tat um das freiheitliche Überleben ihrer Bürgerinnen und Bürger. Die Gefahr, der sich Europa gegenübersieht, ist zweifellos viel weniger offensichtlich. Sie geht nicht von der militärischen Überlegenheit irgendwelcher erklärten Feinde aus. Doch wer auch nur ein wenig über den Tellerrand des Tagesgeschehens hinauszublicken vermag, kann sehen, dass die Bedrohungen des globalen Wettbewerbs für die in Europa lebenden Menschen nicht weniger gefährlich sind – auch wenn sie sicherlich nicht unmittelbar ihre freiheitliche Lebensordnung und ihr friedliches Zusammenleben, sondern zunächst nur ihren Wohlstand betreffen.
    Die Frage lautet daher: Was kann uns Europäer endlich aufwecken, endlich dazu bewegen, unsere traditionelle Skepsis gegenüber grundlegenden Veränderungen aufzugeben und die Vereinigung Europas wirklich entscheidend voranzubringen? Bedarf es dazu einer ernsthaften politischen oder wirtschaftlichen Katastrophe, die uns die Augen öffnet? Müssen wir uns tatsächlich darauf beschränken, beharrlich zu sein und in Kauf zu nehmen, dass die berühmte Echternacher Springprozession eben nicht nur aus einem stetigen Voranschreiten bestand, sondern dazwischen liegende Rückschritte notwendig dazugehörten? Besteht nicht die Gefahr, dass all diese Bemühungen eines Tages in Resignation enden?
    Andererseits: Keine Maus beißt einen Faden daran ab, dass jeder Versuch, sozusagen mit einem Kraftakt einen »großen Wurf« in die Tat umzusetzen, schon am nächsten Tag an einer Unzahl unüberwindlicher Widerstände in allen Mitgliedsländern und in einem sie begleitenden Mediensturm scheitern müsste.
    Aus diesem Dilemma gibt es nur einen Ausweg. Ihn zu beschreiten ist dringlicher denn je. In der Tat ist es allerhöchste Zeit, das Ziel, um das es geht, endlich wieder

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