Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
in Scheiben geschnitten hatte. »Aber sie hat sich doch das Essen extra gewünscht«, sagte sie.
»Sie vielleicht.« Georg stocherte mit seiner Gabel in der Auflaufform herum und schnupperte angewidert. »Ach herrje, Irmela, du hast wohl Angst, dass heute Nacht Vampire unterwegs sind, wie? Als ob dich einer freiwillig beißen würde.«
Christoph lachte.
»In ein Kartoffelgratin gehört Knoblauch«, sagte Irmi. »Außerdem mochtest du früher gerne Knoblauch.«
»Ja, früher war manches anders, liebste Irmela, auch wenn du’s vielleicht vergessen hast«, sagte Georg. »Früher konnte ich Tennis spielen, Auto fahren und allein aufs Klo gehen. Früher hatte ich ein Leben.« Er machte eine kleine Pause. »Mir bitte nur Fleisch und Gemüse.«
»Mir auch, Mama«, sagte Christoph und hielt ihr seinen Teller hin. »Ich treff mich nachher noch mit Claudia, da will ich keine Knoblauchfahne haben.«
Irmi belud die Teller und schnitt Georgs Fleisch in kleine Stückchen. Er konnte seit einigen Monaten nicht mehr gut mit Messer und Gabel essen, er sagte, es sei anstrengend genug, die mundgerechten Häppchen aufzuspießen und zum Mund zu führen, ohne sich größere Verletzungen zuzufügen.
»Wartest du auf den Tag, an dem ich meinen Mund nicht mehr treffe?«, fragte er, als er Irmis Blick bemerkte. »Damit du mich füttern kannst? Freust du dich schon darauf, das Essen im Mixer zu zerkleinern und es mir in der Schnabeltasse zu reichen?«
»Georg, das ist nicht komisch«, sagte Irmi mit belegter Stimme.
»Stimmt, das ist ekelhaft, Papa«, sagte Christoph. Dann erklärte er wie üblich, er habe kein Geld mehr, und Georg sagte wie üblich, Christoph müsse doch mit seinem Gehalt auskommen, und Christoph sagte, kein Mensch könne von dem bisschen leben, das er während der Ausbildung verdiene, und Georg sagte, er solle froh sein, dass er keine Miete zahle, auf seine, Georgs, Kosten telefoniere und rund um die Uhr verpflegt würde. Am Ende gab er Christoph wie üblich einen Schein aus seiner Brieftasche und mahnte ihn, schonend mit dem Auto umzugehen.
»Es reicht schon, wenn deine Mutter immer die Kupplung schleifen lässt, um mich zu ärgern«, sagte er.
Es war schon fast dunkel, als Irmi die Kartoffeln aus der Form kratzte und auf den Komposthaufen fallen ließ. Frau Hagen behauptete zwar, dass gekochte Speisen auf dem Komposthaufen Ratten anzögen, aber Irmi fand die Vorstellung, eine Ratte könne ihr Gratin finden und verspeisen, gar nicht so schlimm.
»Dreizehn«, sagte sie laut.
»Riecht lecker«, sagte jemand auf der anderen Seite des Zaunes, und Irmi zuckte zusammen. Dort stand jemand und rechte Laub zusammen.
»Martin?«, fragte sie mit zusammengekniffenen Augen. Ihr Nachbar trat aus dem Schatten des Fliederbusches, legte den Rechen beiseite und lächelte sie an.
»Was war es denn diesmal?«, fragte er. »Zu viel Salz, zu knusprig oder zu gar?«
»Knoblauch. Kartoffelgratin mit Knoblauch.«
»Hm«, machte Martin mitleidig. »Wird aber sicher prima Humus. Hättest du doch was gesagt, ich hätte dein Essen mit Kusshand genommen. Carola hat nichts gekocht und nichts eingekauft, sie war den ganzen Tag bei Schneiders drüben. Schlimme Sache, nicht wahr?«
»Ja, die arme Amelie«, sagte Irmi und deckte die Kartoffeln mit etwas Grasschnitt ab. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie ohne Robert leben wird. Die beiden haben einander so sehr geliebt.«
»Sah so aus«, sagte Martin und noch einmal: »Schlimme Sache.« Er warf eine letzte Handvoll Laub in seine Schubkarre. »Ich muss rein, ich habe Carola versprochen, das Ki … ähm … das Arbeitszimmer zu renovieren. Wollte heute noch die alten Tapeten abreißen.«
Irmi schaute ihm nach. Carola hatte es gut. Martin war so ein gut aussehender Mann und obendrein ein lieber Kerl. Er hatte immer ein paar aufmunternde Worte parat, rechte Laub zusammen und renovierte das Arbeitszimmer. Er beschwerte sich ganz sicher niemals über das Essen oder darüber, dass Carola die Kupplung schleifen ließ.
Irmi sah, wie im Dachgeschoss der Heinzelmanns das Licht anging, und stellte sich vor, wie Carola und Martin gemeinsam die Möbel verrückten, dabei das künftige Tapetenmuster diskutierten und lachten.
Ein Haus weiter, bei den Schneiders, ging ebenfalls das Licht an, im Giebelzimmer, Amelies und Roberts Schlafzimmer. Sicher brachte Louisa ihre Mutter ins Bett, zusammen mit einer Tasse Tee und einer Valiumtablette. Amelie würde still daliegen und auf die leere Bettseite
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