Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
ich mich mit der Gründung einer Familie befasste. Ich wollte nicht umsonst die Studentin mit dem besten Vordiplom des Jahrgangs gewesen sein! Ich wollte Karriere machen, Geld verdienen, etwas von der Welt sehen. Zwei Semster hatte ich noch fürs Studium eingeplant, dann wollte ich die bestmögliche Diplomarbeit schreiben, ein Jahr im Ausland arbeiten und danach einen lukrativen Job finden. Ich hatte alles schon ganz genau geplant. Nur nicht, die Pille zu vergessen. Ich hatte keine Ahnung, wie mir dieser Fehler hatte unterlaufen können. Eines Tages hatte ich die Pille aus dem Samstagsfeld drücken wollen und zu meinem Schrecken feststellen müssen, dass das Freitagsfeld noch völlig unberührt war. Ich verbuchte es unter »unerklärliche Phänomene« und hoffte auf das Beste. Nun, meine Hoffnungen hatten sich nicht erfüllt.
Zu einem positiven Schwangerschaftstest gehören aber immer zwei Personen. Der andere war mein Freund Andi, den ich am selben Abend mit dem Test in der Handtasche und äußerst gemischten Gefühlen heimsuchte.
Andi und ich waren seit sieben Monaten zusammen. Auf eine unkomplizierte, nette Art und Weise. Er war der bestaussehende Freund, den ich je gehabt hatte, groß, mit dunklen Locken und umwerfend grünen Augen, und der erste, mit dem ich mich nicht ständig stritt. Er war Betriebswirt, hatte im Sommer seine erste Stellung angetreten und verdiente ein Schweinegeld, jedenfalls verglichen mit dem, was mir monatlich zur Verfügung stand. Auch sonst wusste ich nur Positives überihn zu sagen: Er war einfühlsam und fantasievoll im Bett, schrieb wunderbar romantische Liebesbriefe und interessierte sich für die gleichen Bücher und Filme wie ich. Am Anfang unserer Beziehung hatte ich täglich darauf gewartet, dass endlich seine schlechten Seiten zutage treten würden, aber das waren sie bis heute nicht. Irgendwann war ich zu der Überzeugung gelangt, dass er einfach keine schlechten Seiten hatte. Das Einzige, was mich ein bisschen störte, war seine Beziehung zu seinen Eltern, die ihn und seinen jüngeren Bruder immer noch kontrollieren wollten und es meiner Ansicht nach auch taten. Wenn Andi und Stephan mal einen Sonntag nicht zum Familienessen erschienen, war sein Vater, ein schwerreicher Unternehmer, wochenlang beleidigt, und seine Mutter bekam Migräne.
»Was passiert wohl, wenn du mal zwei Wochen fehlst?«, hatte ich Andi einmal scherzeshalber gefragt, und er hatte (ziemlich ernst) geantwortet: »Das weiß keiner von uns, wir haben es noch nicht ausprobiert. Vermutlich würden sie uns enterben, und das möchten weder Stephan noch ich riskieren.«
Aber von seinen Eltern mal abgesehen war Andi der beste Mann, der mir jemals über den Weg gelaufen war.
»Es gibt umwälzende Neuigkeiten, Herzchen«, sagte er, als er mir an diesem Abend die Tür öffnete.
Ich starrte ihn überrascht an. Woher wusste er das? Hatte er Röntgenaugen, mit denen er durch das Leder meiner Handtasche direkt auf den Schwangerschaftstest gucken konnte?
»Umwälzend … kann man wohl sagen«, stotterte ich. »Woher … ich meine, wie …?«
»Vor dir steht der neue Vertriebsleiter der Abteilung«,sagte Andi und strahlte über das ganze Gesicht. »Ist das nicht irre? Ich bin erst vier Monate im Betrieb, und schon falle ich die Karriereleiter hinauf! Vierzig Leute können mich demnächst ihren Chef nennen.« Andi umarmte mich voller Begeisterung. »Mein Vater war ganz aus dem Häuschen, als ich es ihm gesagt habe.«
»Gratuliere«, sagte ich lahm. Um meinen mangelnden Enthusiasmus wettzumachen, setzte ich fragend hinzu: »Und wie kam es dazu? Ich dachte, deine Chefin sitzt auf ihrem Posten wie festgetackert?«
»Hab ich ja auch gedacht! « Andi ging vor mir her in die Küche. Es roch lecker nach Frikadellen, richtig saftigen Buletten. Während ich den Tisch deckte, schnitt Andi Tomaten in Scheiben. »Die Gluck war für mich bis heute der Inbegriff einer Karrierefrau. Sah spitzenklasse aus, hatte Charme und Stil und war wahnsinnig gut in ihrem Job. Die Beste in der Branche. Die hat am Tag fünf Anrufe von Headhuntern bekommen, so gut war die.«
»Sie hat also was Besseres gefunden?«
Andi schüttelte den Kopf. »Schön wär’s ja. Nein, man glaubt es kaum, die kriegt ein Kind!« Er köpfte schwungvoll eine Tomate. »Und schwupp ist sie weg vom Fenster. So ist das. Voll in die Hormonfalle getappt.«
»Aber das sind doch typisch männliche Vorurteile!« Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich verpflichtet, seine
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