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Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Titel: Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Chefin zu verteidigen. »Man kann Kind und Karriere durchaus unter einen Hut bringen. Wozu gibt es schließlich Gleichberechtigungsgesetze, Erziehungsurlaub und Tagesmütter und all das?«
    »Ach, Lou, Herzchen, du bist wirklich naiv. In der Praxis funktioniert das doch nie. Die Gluck war eine knallharte Karrieristin, der hat die Arbeit einen Mordsspaßgemacht, das hat man ihr angemerkt. Reichst du mir mal den Essig? Jetzt ist sie ein paar Wochen schwanger und faselt was von Halbtagsarbeit und Wertewandel. Ich sag dir was: Wenn es die Gluck nicht schafft, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen, dann schafft es keine.«
    »Das glaube ich nicht. Vielleicht hat sie nur im Job schon alles erreicht, was sie erreichen wollte, und möchte jetzt eine wohlverdiente Pause machen«, sagte ich, obwohl ich unter anderen Umständen – andere Umstände, haha! – ganz seiner Meinung gewesen wäre. »Sie ist schließlich schon Ende dreißig, oder? Bei jüngeren Frauen, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen, ist das was anderes. Die haben den Ehrgeiz, beides unter einen Hut zu bekommen. Das ist alles eine Frage der Organisation.«
    »Das ist eben der Irrtum«, erwiderte Andi. »Es ist keine Frage der Organisation, sondern der Hormone! Wenn die Hormonfalle zuschnappt, dann werden aus den tollsten und intelligentesten Frauen besorgte Muttis, die sich nur noch für die richtige Temperatur des Fläschchens interessieren. Die Gluck heißt bei uns jetzt nur noch die Glucke. Schade drum, wirklich.« Er stellte die Schüssel mit Tomatensalat auf den Tisch und grinste mich breit an: »Auf der anderen Seite verdanke ich ihren fehlgeleiteten Hormonen einen unerhofften Karrieresprung. Und eine fette Gehaltserhöhung! Darauf stoßen wir jetzt an.«
    Obwohl ich fast daran erstickte, zögerte ich noch, den Schwangerschaftstest aus der Handtasche zu zaubern. Der Zeitpunkt erschien mir denkbar ungünstig. Ich setzte mich erst mal an den Tisch, aß meine Buletten und stieß mit Andi auf seine Beförderung an.
    »Auf dich. Auf den besten Chef, den sie je hatten«, sagte ich.
    »Auf uns! Auf eine wunderbare Zukunft!«, gab Andi zurück. »Und darauf, dass alle unsere Wünsche Wirklichkeit werden.«
    Ich nahm einen Schluck Sekt und sah Andi tief in die Augen. »Und was ist, wenn mal was nicht so ganz nach Plan verläuft? Könntest du dir vorstellen …?«
    In diesem Augenblick klingelte im Nebenzimmer das Telefon.
    »Merk dir, was du sagen wolltest«, sagte Andi, während er aufstand und nach nebenan ging.
    »Worauf du dich verlassen kannst«, murmelte ich und bückte mich nach meiner Handtasche. Ich war schon über eine halbe Stunde hier und meine Neuigkeit immer noch nicht losgeworden. Das war doch albern. Andi benötigte keine Schonfrist, er war schließlich souverän und erwachsen – und der Urheber des Problems. Ganz sicher würde er wissen, wie wir damit umzugehen hatten.
    Auf seinem Teller lag eine letzte Bulette. Ohne lange zu überlegen, rammte ich das dünne Ende des Schwangerschaftstestes in die Mitte der Bulette. Es sah lustig aus, wie eine Hallig mit einem Telegrafenmast.
    Aber als Andi zurückkam, schenkte er seinem Teller keinen Blick.
    »Lou, da ist Betty am Telefon«, sagte er und guckte auf den Boden.
    »Ist was passiert?«, fragte ich alarmiert. Betty rief sonst niemals hier an, und wenn sie eine freudige Nachricht überbracht hätte – zum Beispiel, dass Dotty gerade ihre Klamotten zusammenpackte –, hätte Andi nicht so ein betroffenes Gesicht gemacht.
    Er nickte und machte Anstalten, mir vom Stuhl zu helfen. Mir sank das Herz irgendwo in die Kniegegend, während Andi mich am Arm führte, als wäre ich mindestens hundert Jahre alt und könnte meinen Gehwagen nicht finden.
    Der Telefonhörer fühlte sich klamm an.
    »Was ist los, Betty?«, krächzte ich.
    »Deine Mutter hat eben angerufen«, sagte Betty. Sie klang ganz anders als sonst. »Louisa, es tut mir so leid. Dein Vater ist gestorben.«
    Obwohl mir klar war, dass Betty wohl kaum Scherze mit mir trieb, weigerte ich mich, es zu glauben. Ich sagte unsinnige Dinge wie: »Aber ich habe gestern noch mit ihm telefoniert« und: »In unserer Familie werden alle mindestens achtzig« und (wofür ich mich später am meisten schämte): »Das möchte ich von ihm selber hören.«
    »Dein Vater hatte heute Nachmittag einen Herzinfarkt«, musste Betty mindestens dreimal wiederholen. »Er war tot, bevor der Notarzt da war.«
    Als ich es endlich begriffen hatte, setzte ich mich auf

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