Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
saßen noch genug Pölsterchen an den Hüften und den Beinen, kein Grund euphorisch zu werden. Heute würde sie nur ein bisschen Obst zu sich nehmen und mindestens eine Stunde auf dem Heimtrainer radeln. Danach Stretching bei offenem Fenster. Um elf Uhr hatte sie einen Termin beim Friseur. Um die Mittagszeit würde sie sich ein Stündchen hinlegen, mit einer regenerierenden Maske im Gesicht. Solange sie ihren Tag mit derartigen Oberflächlichkeiten ausfüllte, konnte ihr das schwarze Ungeheuer im Abgrund nichts anhaben.
Gegen drei Uhr nachmittags kam dann Pfarrer Hoffmann vorbei, das hatte sich mittlerweile so eingebürgert.In seiner Gegenwart fühlte sie sich immer wunderbar zerbrechlich, so als würde sie mindestens in Größe 36 passen.
Amelie schlüpfte in ihren apfelgrünen Jogginganzug und registrierte voller Freude, dass er mittlerweile zwei Nummern zu groß geworden war. Allerdings machte er einen blassen Teint. Ob sie wohl mal auf die Sonnenbank gehen sollte? Es gab ein neues Sonnenstudio in der Hauptstraße.
»Mama, da ist Erbschleicher Harry am Telefon.« Louisa war ohne anzuklopfen ins Schlafzimmer geplatzt und hielt ihr das tragbare Telefon hin.
»Louisa, was soll Onkel Harry denn denken, wenn du ihn Erbschleicher nennst!«, zischte Amelie.
»Keine Angst, ich habe die Stummschaltung aktiviert. Der Erbschleicher kann uns nicht hören. Bestimmt will er wieder wegen der Golfausrüstung nerven.«
»Dann soll er sie halt bekommen, in Gottes Namen«, sagte Amelie. »Sag mal, findest du mich zu blass, Kind?«
»Was? Nein, du bist ganz normal. Ich finde, der alte Geier soll wenigstens was dafür bezahlen«, sagte Louisa. »Aus Prinzip. Wie viel ist das Zeug wert?«
»Was weiß ich? Ein paar tausend Mark sicherlich.«
Louisa drückte energisch die Stummschaltungstaste. »Onkel Harry? Mama meint, du kannst die Golfausrüstung haben.« Sie machte eine Pause und zwinkerte Amelie zu. »Für schlappe viertausend Mark.«
»Louisa!«, sagte Amelie tadelnd.
»Ein Witz?«, fuhr Louisa fort. »Ja, das habe ich ihr auch gesagt, aber sie meint, weil du’s bist, bekommst du’s für diesen Freundschaftspreis. Wie – zu teuer? Maximal einen Tausender? Ich würde sagen, bei dreitausend kämenwir ins Geschäft. Zweifünf, minimum. Ich könnte dir dazu gratis zwanzig Schachteln der Zigarettenmarke deiner Wahl anbieten. Nein, das ist kein Scherz, und ich heiße auch nicht Loretta.«
»Louisa, jetzt reicht es aber.« Amelie nahm ihrer Tochter den Hörer aus der Hand. »Harry? Wenn du die Golfausrüstung wirklich haben willst, dann kannst du sie dir abholen.«
»Ich muss schon sagen!«, sagte Harry. »Ich hätte nicht gedacht, dass du deinen eigenen Bruder so abzocken willst! Ich zahle maximal einen Tausender. Und wie war das mit den Zigaretten?«
»Ach, Harry …« Amelie war irritiert. »Ich wollte selbstverständlich kein Ge …«
»Tausendfünfhundert, mein letztes Angebot«, fiel Harry ihr zornig ins Wort. »Und sag der Lola, ich nehme zwanzig Schachteln Marlboro.«
Kopfschüttelnd drückte Amelie auf die Aus-Taste. »Redet nur wirres Zeug, der Harry. Jetzt will er tausendfünfhundert Mark zahlen und zwanzig Schachteln Marlboro von einer gewissen Lola.«
»Immerhin«, sagte Louisa.
Am Nachmittag fand Amelie ihre Tochter heulend im Wohnzimmer vor.
»Warum weinst du denn?«, fragte sie.
»Ja, warum wohl?« Louisa warf ihr einen gekränkten Blick aus rot geränderten Augen zu, Amelie wiederum warf einen Blick auf die Standuhr. Zehn vor drei – in ein paar Minuten würde Pfarrer Hoffmann hier sein.
Louisa interpretierte ihren Blick zur Uhr richtig. Sie sagte schniefend: »Kommt der heute schon wieder?«
Amelie beschloss, nicht darauf einzugehen. »Ach, Kind, das ist ja hier auch nichts für dich«, sagte sie sanft. »Du musst wieder unter junge Leute, zurück an die Uni, da kommst du viel schneller über deinen Verlust hinweg.«
»Das geht nicht so einfach«, sagte Louisa weinerlich.
Amelie betrachtete ihr eigenes Spiegelbild in den Scheiben der Vitrine. Der puderrosafarbene Pullover passte wunderbar zu ihren blonden Locken, die der Friseur heute zu einer flotten Kurzhaarfrisur geschnitten hatte. Sie drehte sich ein wenig auf die Seite. Die neuen Jeans saßen perfekt. Sie hatte sie in der kleinen Boutique neben dem Friseur erstanden, in Größe 40, statt der sonst üblichen 44. Vor lauter Freude darüber, dass sie auch wirklich hineinpasste, hatte sie den Pullover gleich miterstanden.
»Rosa schmeichelt
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