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Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Titel: Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Augen verwirren mich, weißt du das? Sie sind so unschuldig und himmelblau wie die eines ganz jungen Mädchens.«
    Während sie noch über seine Worte nachdachte – ihre Augen waren nicht himmelblau, sondern grünblau, vielleicht wie ein Bergsee, da musste er noch mal genauer hinsehen –, näherte sich sein Mund dem ihren.
    »Aber deine Lippen sind die einer erfahrenen Frau«, fuhr er fort und drückte seinen Mund auf ihren.
    Das kommt wohl von den vielen Luftballons, die ich zu Louisas Kindergeburtstagen aufgepustet habe , dachte Amelie und schob die Erinnerung an Roberts vertraute, weiche Küsse ganz weit von sich.
    »Mmmmmmh«, machte Pfarrer Hoffmann genießerisch, und Amelie wusste nicht, ob er den Kuss oder den Sekt meinte. Nun, der Sekt war lauwarm gewesen, der Kuss nur unwesentlich wärmer.
    Es war aber trotzdem kein Freundschaftskuss gewesen, und ganz sicher war er nicht dazu gedacht, das Verhältnis zwischen Amelie und dem lieben Gott zu verbessern. Amelie hätte gerne gekichert. Sie fühlte sich, als sei sie wieder dreizehn Jahre alt und tauschte verbotene Küsse mit Wie-hieß-er-noch-gleich? unterm Kirschbaum.
    Ausgerechnet diesen Augenblick wählte Louisa, um mit einem schweren Einkaufskorb am Arm ins Wohnzimmer zu platzen. Sie blieb stehen wie vom Donner gerührt. Amelie registrierte jetzt erst, dass zwischen ihren Oberschenkel und den von Pfarrer Hoffmann nicht mal mehr ein Blatt Papier gepasst hätte. Sie fragte sich, ob ihr Lippenstift wohl verschmiert war.
    »Oh, gibt es was zu feiern?«, fragte Louisa und setzte den Einkaufskorb krachend auf dem Parkett ab. Amelie zog es vor, nicht zu antworten. Warum hatte sie eigentlich so ein mulmiges Gefühl im Magen, genau wie damals, als ihre Mutter sie beim Knutschen unterm Kirschbaum erwischt hatte? Peter Bahnmüller, so hatte er geheißen! Riesige abstehende Ohren hatte er gehabt, die vor Scham glühend rot geworden waren.
    Pfarrer Hoffmann, nein, Benedikt , war überhaupt nicht verlegen. Im Gegensatz zu Peter, der damals unter dem Kirschbaum unartikuliert zu stottern angefangen hatte.
    »Ich habe gerade Ihrer Mutter das Du angeboten, Louisa«, sagte Benedikt und lachte verschmitzt. »Es konnte ja nicht angehen, dass ich sie beim Vornamen nenne und sie weiter Pfarrer Hoffmann zu mir sagt. Dabei habe ich mich gar nicht gut gefühlt.«
    »Mich nennen Sie doch auch beim Vornamen«, sagte Louisa.
    Amelie fand, dass sie reichlich kühl klang. Kleine klugscheißerische Moralapostelin , dachte sie. Was steckte sie ihre Nase eigentlich immer in Dinge, die sie überhaupt nichts angingen?
    »Das stimmt!« Benedikt lachte noch verschmitzter. »Du hast eine kluge Tochter, Amelie. Es ist nur recht und billig, wenn ich auch ihr das Du anbiete, nicht wahr? Liebe Louisa, ich heiße Benedikt.«
    Louisa antwortete nicht sofort.
    Sie sieht genauso aus wie meine Mutter damals unterm Kirschbaum, dachte Amelie. Gleich würde sie ihren Zeigefinger ausstrecken und anfangen zu schreien: »Du bist ein ungezogener Bub! Ab nach Hause, und sei froh, dass ich dir nicht den Hosenboden versohle!«
    Ob der Pfarrer dann auch mit eingezogenem Kopf davonlaufen und fortan einen Bogen um sie machen würde, wie einst der eingeschüchterte Peter?
    »Auch einen Sekt gefällig?«, fragte Pfarrer Hoffmann. Ha, das hätte dem kleinen Peter damals einfallen sollen!
    »Nein, danke, ich bleibe lieber beim Sie«, erwiderte Louisa. »Aber wenn Sie sich dabei besser fühlen, können Sie ab jetzt gerne Frau Schneider zu mir sagen.«

Louisa
    I
ch brauchte erst mal Zeit, um das zu verdauen«, sagte Andi am Telefon. Er hatte zwei Tage einfach nichts von sich hören lassen. Ich fühlte mich ziemlich im Stich gelassen. »Aber ich habe mich in der Zwischenzeit informiert. Das ist eigentlich alles gar nicht so schlimm.«
    »Ach nein?«, fragte ich hoffnungsvoll.
    »Nein, pass auf: Du musst zum Frauenarzt, von dort in eine Beratung, und dann kriegst du einen Termin in der Klinik. Nach spätestens zwei Wochen ist die ganze Sache überstanden. Den Eingriff zahlt in deinem Fall sogar die Kasse.« Andi gab ein trockenes Geräusch von sich, das wie Lachen klang. Es konnte aber auch Husten sein. »Ich hatte mir das alles viel komplizierter vorgestellt. Ich dachte, das ist eine wahnsinnig teure Angelegenheit. Na ja, und dann hat man ja so horrormäßige Vorurteile im Kopf von irgendwelchen Hinterzimmern mit schmuddeligen Liegen voller Blutflecken, wo mit unsterilen Skalpellen in der Frau herumgestochert wird …«

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