Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
ich sagen.«
Was Carola und Martin antworteten, hörte sie nicht.
»Jetzt geht es mir gleich besser«, sagte Georg.
Zwanzig Minuten später suchte Irmi hektisch nach den Autoschlüsseln.
»Mensch, Mama, die Bluse gehört aber wirklich in den Altkleidersack«, sagte Diana. »Das war vielleicht mal in den Achtzigern schick. Was suchst du eigentlich?«
»Die Autoschlüssel«, sagte Irmi. »Ich komme viel zu spät.«
»Christoph ist doch mit dem Auto weg, Mama! Hat Papa es dir nicht gesagt?«
Irmi fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Sie war nass geschwitzt. »Nein, hat er nicht!«
»Ich könnte aber schwören, dass ich’s dir gesagt habe«, meinte Georg vom Fernseher her.
»Typisch Papa! Wie soll Mama denn jetzt zu ihrer Chorprobe kommen?«
»Mit dem Fahrrad«, schlug Georg vor. »Sie hat ja zwei funktionierende Beine, im Gegensatz zu anderen Leuten.«
»Aber es regnet«, sagte Diana.
»Das macht nichts«, sagte Irmi wütend und knöpfte ihre Jacke zu.
Jahnsberg war wie einst Rom auf sieben Hügeln erbaut worden. Nur ehrgeizige Freizeitradler wussten die zum Teil extremen Steigungen zu schätzen. Bei Quirrenbergs stand daher auch nur ein einziges Fahrrad in der Garage, Christophs Rennrad. Es hatte keinen Rücktritt, war viel zu hoch und nicht mal mit Licht ausgestattet. Irmi schwang sich trotzdem auf den Sattel.
Das Gemeindezentrum lag unten im Tal, sie musste nicht ein einziges Mal in die Pedale treten, im Gegenteil, sie hatte genug damit zu tun, zu bremsen und zu hoffen, dass die Autofahrer sie nicht übersahen. Der Regen klatschte ihr ins Gesicht und durchnässte ihre Jacke. Irmi graute es schon wieder vor dem Rückweg. Wahrscheinlich würde sie die ganze Strecke schieben müssen.
Als sie ihr Gefährt vor dem Gemeindezentrum in den Fahrradständer stellte, schaute sie auf die Uhr. Fast eine Dreiviertelstunde zu spät.
Hinter ihr parkte ein silberner BMW. Er gehörte dem neuen Pfarrer, der Irmi so sehr an den Kinderarzt aus Dianas amerikanischer Lieblingsfernsehserie erinnerte.
»Donnerwetter, Sie sind aber sportlich«, sagte der Pfarrer. »Aber es ist äußerst leichtsinnig von Ihnen, ohne Licht zu fahren. Ich hätte Sie vorhin an der Ampel beinahe nicht gesehen.«
»Tut mir leid«, stotterte Irmi.
»Schon gut. Ich bin ja froh, dass Ihnen nichts passiert ist. Wollen Sie zur Chorprobe?«
»Ja, Sie auch?«
Pfarrer Hoffmann schüttelte lächelnd den Kopf. »Eine schöne Idee, aber ein Pfarrer darf leider nicht im eigenen Kirchenchor mitsingen. Nein, mir ist zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen, und da dachte ich, ich könnte vielleicht ein bisschen in meinem Büro arbeiten.« Er seufzte, während er ihr galant die Tür aufhielt. »Immer noch besser, als nutzlos zu Hause herumzusitzen. Das ist eben das Los des Junggesellen!«
»Ich dachte immer, Junggesellen führen so ein aufregendes Leben«, murmelte Irmi.
»Eher ein einsames«, sagte der Pfarrer und blieb vor seinem Büro stehen. »Und Frau Sommerborn ist ja eine herzensgute Seele, aber nicht unbedingt die Person, mit der ich meine einsamen Abende teilen möchte.«
Irmi lächelte. Frau Sommerborn war die steinreiche alte Dame, der die Kirche den Glockenturm und eine Handvoll wertvoller Immobilien zu verdanken hatte. Unter anderem gehörte ihr das Anwesen, in dem traditionellerweise der Pfarrer wohnte. Die Pfarrwohnung war riesig, mit französischen Fenstern, mehreren offenen Kaminen und edlen Mamorfußböden ausgestattet, dazu ein großer Garten, Fernblick und Kabelfernsehen. Das einzige Manko war Frau Sommerborn, die sich für die Dachwohnung ein Wohnrecht auf Lebenszeit ausbedungen hatte und über den jeweiligen Pfarrer wachte wie über ihren eigenen Sohn.
»Seien Sie mir nicht böse, aber ich musste mir in derletzten Zeit so viele Namen merken, da habe ich Ihren völlig vergessen«, sagte der Pfarrer.
»Quirrenberg«, sagte Irmi verlegen. »Irmela Quirrenberg.«
»Irmela! Den Namen hatte ich zwar vergessen, aber die schönen Augen nicht.« Pfarrer Hoffmann konnte den Kinderarzt aus dem Fernsehen glatt an die Wand lächeln.
Irmi spürte, wie sie rot anlief.
Der Pfarrer schloss die Bürotür auf. »Vielleicht höre ich Sie ja durch die Wand singen«, sagte er. »Singen Sie im Alt oder im Sopran?«
»Sanftmütigkeit ist sein Gefährt«, tönte der Chor aus dem Probenraum. Sie übten schon für das Adventskonzert.
»Äh, im Tenor«, sagte Irmi. »Wir haben im Moment einfach zu wenig Männerstimmen.«
»Bewundernswert«, sagte der
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