Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
Wieder dieses trockene Geräusch. »Dass das ganz offiziell in der gynäkologischen Abteilung vom Krankenhaus durchgeführt wird, hat mich doch sehr erleichtert.«
»Wie rührend.« Ich war wütend auf ihn, aber gleichzeitig zu traurig, um ihn anzubrüllen.
»Hör mal, Lou, ich weiß, dass du im Augenblick eine Menge durchmachst, wegen deines Vaters und so, aber du kannst diese Sache nicht einfach schleifen lassen. Am besten ist, du kommst so schnell wie möglich nach Berlin zurück und wir stehen das gemeinsam durch. Vor dem Beratungsgespräch musst du wirklich keine Angst haben. Alle, mit denen ich gesprochen habe, sagen, es ist der reinste Witz. Du musst da noch nicht mal irgendwas rumlügen oder so. Du sagst denen einfach, dass du das Kind nicht willst, und dann kriegst du den Schein, und fertig.«
»Nicht ganz«, erinnerte ich ihn ironisch. »Dann kommt ja noch die Sache mit dem Eingriff. Aber wahrscheinlich haben alle, mit denen du darüber geredet hast, gesagt, so eine Ausschabung ist ebenfalls der reinste Witz, was?«
Andi missverstand mich. »Kein Angst. Ich habe natürlich niemandem gesagt, dass du schwanger bist, Lou! Ich habe mich sozusagen inkognito schlaugemacht. Ich habe genauso großes Interesse daran, die Sache geheimzuhalten wie du. Wenn mein Vater das erfahren würde, wäre ich so gut wie enterbt! Meinem Bruder ist so was nämlich während seines Studiums in Italien passiert, und mein Vater war vor Wut außer sich.«
»Dein Bruder war schwanger?«, fragte ich absichtlich dumm.
»Mein Bruder hat eine Frau geschwängert, als er in Triest studiert hat«, erklärte Andi. »Es ist unser großes Familiengeheimnis. Stephan brauchte Geld, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen, aber weil er ein armer Student war, musste er meinen Vater um Hilfe bitten. Mann, war der wütend! Mein Bruder musste ihm monatelang die Füße küssen, um wieder in Gnade aufgenommen zu werden.«
Da war er schon wieder, dieser hässliche Ausdruck: In Ordnung bringen. Was hatten sie dem armen italienischen Mädchen angetan? Hatte Andi von daher seine Visionen von rostigen Skalpellen und schmuddeligen Hinterzimmern?
»Du bist kein mittelloser Student, sondern ein gut verdienender Jungmanager und verdammt noch mal alt genug, eine Familie zu gründen«, sagte ich und setzte hinzu: »Wenn du wolltest, jedenfalls. Und wenn ich wollte, natürlich.«
»Ich füchte, meine Eltern würden das anders sehen«, sagte Andi mit diesem trockenen Lachhusten. »Und ich will auch kein Kind! Ich habe noch Pläne für dieses Leben!Und du ja wohl auch. In der wievielten Woche bist du?«
»In der sechsten.« Ich hatte immer noch nicht verstanden, was seine Eltern mit meinem Baby zu tun hatten.
»Sechste Woche ist gut«, frohlockte Andi. »Dann haben wir noch genügend Zeit. Trotzdem – je schneller wir die Sache hinter uns bringen, desto besser. Wann kommst du?«
»Das weiß ich noch nicht. Vielleicht am Wochenende.«
»Das ist gut, dann kannst du am Montag gleich zum Frauenarzt gehen. Ruf mich an, wenn du da bist. Du musst das nicht allein durchstehen, Herzchen.«
»Schön zu wissen.« Mistkerl . Für ihn war das alles so einfach. Keinen Gedanken hatte er an die Möglichkeit verschwendet, das Kind zu bekommen. Nein, »die Sache« so schnell wie möglich hinter sich bringen war alles, was er wollte.
»Was ist eigentlich aus dem Baby deines Bruders in Triest geworden?«, fragte ich, aber da hatte Andi schon aufgelegt.
Vielleicht wäre er sich seiner Sache nicht so verdammt sicher gewesen, wenn er wie ich das winzig kleine Herzchen auf dem Bildschirm bei der Frauenärztin hätte schlagen sehen. Der Anblick hatte mich völlig überwältigt.
»Aber es lebt ja«, hatte ich gestammelt, und die Frauenärztin hatte kopfschüttelnd etwas vor sich hin gebrummelt, was wie »Ich würde ja gern mal wissen, was sie euch heutzutage in den Schulen noch beibringen« geklungen hatte.
Ich hätte gern jemanden gehabt, der meine äußerst gemischten Gefühle bezüglich dieses pulsierendenWunders geteilt hätte, aber mein Vater war tot und meine Mutter nicht zurechnungsfähig. Entweder heulte sie herum oder flirtete mit dem Pfarrer wie eine Vierzehnjährige. Wenn es nicht völlig ausgeschlossen wäre, hätte ich geglaubt, zwischen den beiden bahne sich etwas an.
In meiner Verzweiflung rief ich Betty an.
»Du bist was? «, kreischte sie in den Telefonhörer.
»In der sechsten Woche«, bestätigte ich. »Ach, Betty, ich weiß einfach nicht, was ich tun
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