Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
der Betroffenen direkt an mich wendet, handelt es sich, was mich angeht, um unerwiesene Gerüchte, die ich schon aus Prinzip zu ignorieren habe. Und Sie als gute Christin sollten nicht dazu beitragen, Derartiges in der Gemeinde herumzutragen, Frau Hagen.«
Das war ja wohl das Allerletzte! Jetzt nahm er den Saukerl auch noch in Schutz!
»Mir verbieten Sie den Mund, und der Pfarrer darf seinen Schwanz nach wie vor überall hineinstecken!«, schrie sie außer sich. »Das sind verdammt noch mal keine unerwiesenen Gerüchte! Mit mir hat er’s mitten auf dem Küchentisch getrieben!«
Sie knallte den Hörer auf eben jenen Küchentisch und schlug mit der Faust darauf ein. Als sie ihn wieder ans Ohr hob, war das Freizeichen in der Leitung.
»Feige Sau«, knurrte sie, ließ sich auf einen Stuhl sinken und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Fürs Erste hatte sie sich abreagiert. Erschöpft sah sie sich in ihrer verwüsteten Küche um. Schade, es sah nicht danach aus, als habe ihr Anruf Pfarrer Hoffmann den Jobgekostet. Nur gut, dass sie nicht ihren richtigen Namen genannt hatte, sonst hätte es sie am Ende noch ihren Job gekostet!
Immerhin, einen kleinen Trost hatte sie: Der Superintendent glaubte jetzt, Pfarrer Hoffmann habe Frau Hagens hundertfünfzig Kilo auf den Küchentisch gehievt und sich obendrauf geschmissen. Beinahe hätte die Vorstellung Carola zum Lachen gebracht, aber dann kam ihr der Gedanke, der Superintendent könne ihren Worten keinen Glauben geschenkt und sie als hysterische Moralwächterin mit sexuellem Defizit abklassifiziert haben. Wahrscheinlich würde er Pfarrer Hoffmann gegenüber nicht mal eine Andeutung machen. Es war eine Schande! Dieser promiskuitive, eitle Schleimer durfte ungestraft eine Frau nach der anderen einseifen und sich auch noch als den großen Beglücker fühlen.
Sie hörte Martin die Treppe herunterkommen und etwas Schweres im Flur absetzen. In der letzten halben Stunde hatte sie völlig vergessen, dass es ihn überhaupt gab.
Er hat seine Koffer gepackt , dachte sie. Vermutlich hatte er ihr Gekreische bis ins obere Stockwerk gehört und wusste, dass sie es mit Pfarrer Hoffmann auf dem Küchentisch getrieben hatte. Auch egal! Sie sah ihm mit zurückgeworfenem Kopf entgegen.
»Du ziehst aus? Und wohin, wenn man fragen darf?«
»Ich werde erst mal ein paar Nächte beim Meller übernachten, der hat ein Gästesofa im Wohnzimmer«, sagte Martin.
»Da wird die Frau vom Meller ja sicher begeistert sein, wenn ein Fremder in ihrem Wohnzimmer herumliegt«, sagte Carola.
»Ich glaube, es ist ihr ziemlich egal, wer in Mellers Wohnzimmer rumliegt. Sie hat ihn vor einem halben Jahr verlassen«, sagte Martin.
»Ts, ts, ts«, machte Carola. »Wieder so ein armer, im Stich gelassener Arbeitsloser. Gibt es denn keine Solidarität mehr unter Ehefrauen?«
»Sie ist an Krebs gestorben«, sagte Martin.
»Das ist allerdings besser«, sagte Carola und fühlte sich auf einmal entsetzlich müde. »Ich wette, du beneidest den Meller um seine rücksichtsvolle Frau.«
»Ja, und um seinen Humor. Er wird mir die ganze Nacht Witze erzählen, wie ich ihn kenne. Kennst du den? Warum ist es so gefährlich, in Polen Viagra zu schlucken?«
»Keine Ahnung«, sagte Carola. Er hatte wirklich restlos alles mitbekommen. Armer Martin, das hatte er nicht verdient.
»Weil dort alles, was länger als eine Stunde steht, geklaut wird«, sagte Martin.
Carola griente schwach.
»Ich geh dann jetzt«, sagte Martin.
»Tolles Timing«, murmelte Carola. Erst beendete ihr Liebhaber ihre Liaison, und dann packte der Ehemann seine Koffer. Und unablässig flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf: Selber schuld!
»Ich komme die Tage mal, um noch ein paar Sachen abzuholen«, sagte Martin. »Dann können wir auch darüber reden, wie es weitergeht.«
Carola nickte nur. Die Luft war raus, weitere Gemeinheiten wollten ihr einfach nicht mehr über die Lippen kommen. Stattdessen fühlte sie Tränen in ihre Augen steigen. Selber schuld, selber schuld, leierte die Stimme in ihrem Kopf.
Sie hörte die Tür ins Schloss fallen. Es klang endgültig.
Und da saß sie nun vor den Scherben ihres Lebens , dachte sie melodramatisch. Einem plötzlichen Impuls folgend sprang sie auf und rannte hinter Martin her. Er war bereits dabei, die Koffer in seinen Wagen zu laden.
An dem Blick, den er ihr zuwarf, sah Carola, dass er keine Hoffnung mehr hatte.
»Es tut mir leid, Martin«, sagte sie und wurde rot. »Es tut mir wirklich leid. Ich habe
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