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Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Titel: Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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nicht ich? Nicht, dass ich so viel Geld auf der hohen Kante hätte – dazu kostet mich die Scheidung von meiner Frau einfach zu viel –, aber ich habe ja immer noch meinen Wagen. Heute abend werde ich ihn zum Autohaus Lohmann fahren und gegen ein schlichtes, ein bescheidenes und sparsameres Modell eintauschen. Mit dem Geld werde ich Lydia freikaufen, sodass sie niemals wieder Gewalt von diesem Ricky zu befürchten hat. Ich weiß, es ist ein Opfer, aber wenn ich damit Gutes tun kann, bringe ich dieses Opfer gerne. Und das sollten Sie auch tun. Als gute Christin.« Er tätschelte ihreSchulter. »Das sind Sie doch, eine gute Chistin, oder sollte ich mich da getäuscht haben?«
    Carola schlug seine Hand weg. »Nur weil du deine Nobelkutsche verscherbelst, hältst du dich für einen guten Christen? Wie borniert bist du eigentlich? Du glaubst tatsächlich, indem du ein Vergewaltigungsopfer auf dem Küchentisch flachlegst, heilst du es von seinem Trauma, oder? Ich sag dir mal was: Wenn ich tatsächlich ein Trauma gehabt hätte, dann hätte man mich nach diesem Erlebnis in eine geschlossene Anstalt einliefern müssen.« Sie funkelte ihn zornig an. »Haben dir meine Viagra --Tabletten zu einer schönen Nacht mit deiner Exnutte verholfen? Hat sie anschließend glühend heiße Tränen der Dankbarkeit über deiner Hand vergossen? Oder hast du ein anderes Unschuldslamm beglückt? Die arme Irmi von nebenan? Oder Amelie Schneider? Dein Gott scheint dir ja eine Menge Schäfchen zu schicken, die du auf den richtigen Weg führen sollst, nicht wahr? Aber nicht mal das kannst du ja! Nicht mal eine einzige Sache zu Ende bringen!«
    Hoffmann sah mit Schrecken und Abscheu auf ihr wutverzerrtes Gesicht und schwieg.
    Carola hatte das Gefühl, bis zum Bersten mit Wut angefüllt zu sein, mit unglaublicher, zerstörerischer Wut. Außer sich packte sie den nächstbesten Gegenstand und schleuderte ihn auf den Fußboden. Es war der Toaster, und er zerschepperte mit wohltuendem Krach auf den Fliesen.
    Pfarrer Hoffmann zuckte zurück.
    »Ich weiß wenigstens, dass ich Mist gebaut habe«, brüllte Carola ihn an. »Ich weiß, dass ich unmoralisch, verlogen und egoistisch bin und dass ich meinen unschuldigenMann einer Sache geopfert habe, die für mich lebenswichtig ist. Ich weiß, dass ich dafür auf ewig im Fegefeuer sitzen müsste, wenn es denn eins gäbe! Aber du bist schlimmer als ich. Du glaubst, du hast Gottes Segen für all die Dinge, die du verbockst! Du glaubst, du bist ein Heiliger.«
    »Ich weiß, dass ich kein Heiliger bin«, widersprach Hoffmann. »Ein Pfarrer ist auch nur ein Mensch. Aber …«
    »Hau ab«, schrie Carola, die seine ölige Stimme nicht mehr hören wollte. »Hau ab, du Niete, bevor ich dir den Wasserkocher auf deinen Gockelkopf donnere!«
    Hoffmann ließ sich das nicht zweimal sagen. An der Tür drehte er sich aber noch einmal um. »Vielleicht sollten Sie Ihre Therapeutin anrufen«, sagte er. »Sie scheinen mir im Augenblick nicht Herr der Lage zu sein.«
    Da hatte er recht. Der Wasserkocher verfehlte seinen Kopf nur um Haaresbreite.
    Drei Sekunden später fuhr der silberne BMW mit quietschenden Reifen davon.
    Carola zitterte immer noch vor Wut. Sie sah sich nach weiteren Gegenständen um, die sie zertrümmern konnte. Ein Topf mit kalten Nudeln und die Kaffeemaschine wurden zu Boden gefegt, eine Salatschüssel und eine halb leere Weinflasche folgten.
    Als sie das Telefon in die Hand nahm, um es auf die Fliesen zu pfeffern, hielt Carola inne. Während sie hier ihren Haushalt verwüstete, fuhr Pfarrer Hoffmann seelenruhig in seiner Nobelkarosse nach Hause, wo bereits seine Maria Magdalena auf ihn wartete, um ihm die Hand zu küssen. Das war nicht richtig.
    Ihr Blick fiel auf die Hirtenpostille , das Gemeindeblatt,das an der Pinnwand steckte. Daneben hing ein Zettel mit der Telefonnummer des Superintendenten, den Carola wegen des geplanten ökumenischen Frühlingsfestes anrufen wollte.
    Sie sah auf die Uhr. Es war kurz nach fünf, vielleicht war der Superintendent ja noch im Büro, wenn er an den Tagen »zwischen den Jahren« überhaupt arbeitete. Es war einen Versuch wert. Mit fliegenden Fingern wählte sie seine Nummer.
    »Ich hasse ihn. Ich hasse ihn«, sagte sie zu dem Freizeichen. Im gleichen Augenblick hatte sie das Büro des Kirchenverbandes am Apparat.
    »Den Superintendenten bitte«, sagte sie.
    »Wer spricht denn da?«, wollte die Sekretärin am anderen Ende der Leitung wissen.
    Carola überlegte nicht lange.

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